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Maskenspiel

Maskenspiel

Titel: Maskenspiel
Autoren: Kelly Stevens
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Projektleiter zu haben bedeutet, dass wir morgens um neun anfangen, den Tag über Kaffee, Tee, Wasser und Softdrinks aus der Kaffeeküche holen und uns dazwischen mit Keksen, Sandwiches und Ähnlichem über Wasser halten. Obwohl der Empfang im Firmengebäude nur bis 22 Uhr besetzt ist, sind wir aufgrund unserer Sicherheitsausweise nicht an feste Arbeitszeiten gebunden, und Charlie geht selten vor Mitternacht zurück ins Hotel. Ich passe mich ihm natürlich an, schon alleine deshalb, damit ich nicht nachts alleine durch London laufen muss. Es sind zwar nur ein paar Minuten bis zum Hotel, aber ganz wohl fühle ich mich nicht dabei. Einmal, als ich nachmittags Sandwiches holen ging, hatte ich den Eindruck, dass die junge Frau, die ich am ersten Tag vor der Bar gesehen habe, in der Nähe des BSC -Firmeneingangs stand. Natürlich könnte dies Zufall sein, aber irgendwie ist es trotzdem unheimlich.
    Die Ausnahme in unserer Arbeitsroutine ist der Donnerstag, an dem Charlie schon am frühen Nachmittag aufbricht. Jetzt verstehe ich endlich, warum er nur Handgepäck dabei hatte: Er fliegt Donnerstag Abends zurück nach Berlin, macht Freitag Home Office, verbringt das Wochenende zu Hause und fliegt Montagmorgen wieder nach London.
    »Und ich, was soll ich hier allein machen?«, frage ich überrumpelt.
    »Du kannst ja alleine weiterarbeiten.« Charlie deutet auf die Wand hinter mir, an der die Projektablaufplanung hängt. »Wäre super, wenn wir Montag schon den ersten Meilenstein erreicht hätten. Ich lande gegen neun in Heathrow, da habe ich noch ein paar Minuten Zeit, mir anzusehen, was du bis dahin gemacht hast. Das Meeting ist um halb zwölf.«
    Mit Christopher. Ich nicke ergeben. Das heißt wohl, dass ich auch Samstag und Sonntag durcharbeiten muss.

    So kommt es, dass ich am Samstag in meiner Nische sitze und Feature Requests abarbeite. Ich bin so in meine Arbeit vertieft, dass ich gar nicht mitbekomme, dass sich die Tür öffnet, bis Christopher neben mir steht.
    »Was machst du denn am Samstagnachmittag noch hier?«
    »Das Gleiche könnte ich dich fragen.« Ich drehe mich in meinem Stuhl zu ihm. »Ich habe dich die ganze Woche nicht gesehen.« Nicht, dass ich auf ihn gewartet hätte …
    »Ich dich schon. Du läufst ab und zu in den Laden gegenüber und holst Salate und Sandwiches.«
    »Beobachtest du mich etwa?«, frage ich ungläubig.
    »Nein. Aber mein Bürofenster geht zur Straße hinaus, da sehe ich ab und zu, was vor sich geht.«
    Ich drehe mich enttäuscht um. Was habe ich denn gedacht? Dass er mich sehen will? Obwohl … »Warum bist du eigentlich hier?«
    »Ich habe Licht gesehen und dachte, ich schaue mal rein.«
    »Nun, es ist alles in Ordnung. Du brauchst keine Angst zu haben, ich irre nicht mehr durchs Gebäude.«
    »Das sehe ich.« Er wippt auf den Füßen. »Aber ernsthaft, wieso sitzt du um diese Zeit hier?«
    »Ich habe ein schlechtes Gewissen. Du bezahlst mein Hotel auch übers Wochenende, da ist es nur korrekt, wenn ich arbeite.«
    »Sehr deutsch gedacht, aber du bist hier in England. Meine Firma kommt für eure Wochenendheimflüge auf, oder alternativ eben für die Hotelkosten. Beides läuft über die Spesenabrechnung. Genieß London, spiel ein bisschen Touristin.«
    »Erstens bin ich Britin, und zweitens muss ich bis Montag noch einiges an Code schreiben …« Erschrocken halte ich mir die Hand vor den Mund. Jetzt habe ich mich doch verraten.
    »Du machst das?!« Seine Stimme klingt fast anklagend.
    Verdammt. Irgendwie kann ich in Christophers Gegenwart nicht klar denken. »Charlie ist natürlich der Projektleiter. Ich assistiere ihm nur.«
    »Deine Loyalität in Ehren, aber ich habe doch Augen im Kopf. Er spielt den großen Macher, fliegt aber jeden Donnerstagabend nach Hause und lässt dich alleine weiterarbeiten.«
    »Charlie hat einen zwölfjährigen Sohn, der die Wochenenden bei ihm verbringt.«
    »Und du, Emily?« Er kommt plötzlich sehr nahe. »Wer wartet zuhause auf dich?«
    Ich lache nervös. »Mein Privatleben ist meine Privatsache.« Selbst in meinen Ohren klingen diese Worte eine Spur zu schnippisch.
    »Ich wette mit dir, dass niemand zu Hause auf dich wartet.«
    »Meine Arbeit füllt mich voll und ganz aus.«
    »Das, meine liebe Emily«, er legt einen Finger unter mein Kinn und hebt es ein Stückchen an, sodass ich ihn ansehen muss, »ist eine aufreizend zweideutige Antwort.«
    Ich schlucke und versuche, meinen Kopf zurückzuziehen, aber sein Finger hält mich fest.
    »Mehr noch,
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