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Masken der Lust (German Edition)

Masken der Lust (German Edition)

Titel: Masken der Lust (German Edition)
Autoren: Noelle Mack
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hatte.
    Marco half Sarah in ihre Jacke, schlüpfte dann in sein Jackett und gab ihm mit einem Schulterrucken den richtigen Sitz.
    «Fertig?»
    «Ich denke schon.»
    Die Masse an Leuten, die sich vor dem Eingang zum Ballsaal drängten, machte ein bloßes Durchkommen unmöglich. Dass die Party privat war, hielt ungebetene Gäste nicht von dem Versuch ab, sich ohne Einladung Zugang zu verschaffen. Doch auf ein Nicken Marcos zu den Hünen in Umhängen und Dreispitzen, die an der Tür postiert waren, kamen zwei von ihnen herein und machten für sie den Weg nach draußen frei. Sarah glaubte, zwei der kostümierten Frauen seinen Namen rufen zu hören, war sich aber nicht sicher. Der Name war weit genug verbreitet, besonders in Venedig, und vielleicht hatten sie ihn gar nicht gemeint.
    Eifersüchtig?, fragte eine kleine Stimme. Nicht doch. Er gehört dir nicht und du nicht ihm. Nichtsdestotrotz wollte Sarah ihn ganz für sich haben, selbst wenn es nur für diese eine Nacht sein sollte.
    Sie blickte zum Nachthimmel hoch und sah verblüfft, dass Schneeflocken im goldgelben Licht der altertümlichen Laternen entlang des Zattere-Kais wirbelten.
    «Ah, das ist ein seltener Anblick in Venedig», sagte Marco. «Er wird nicht lange halten.» Seine letzten Worte klangen eine Spur traurig, als wünschte er, er könne etwas daran ändern. Sarah schalt sich, für einen Augenblick geargwöhnt zu haben, er könnte die romantische Stimmung irgendwie bestellt haben. Der weiße Schnee zeichnete die Umrisse der alten Gebäude nach und gab ihren grazilen architektonischen Einzelheiten das Aussehen von Spitze. Zwischen gestreiften Pfosten warteten die schwarzen Gondeln im tintendunklen Wasser, der Bug schwungvoll aufsteigend, die Seiten und die verhüllten Sitze von dem unerwarteten Schnee beflockt.
    Marco sah sich nach den Männern an der Tür um. Einer von ihnen legte seinen Umhang ab und warf ihn ihm über die Köpfe der Wartenden hinweg zu. Niemand versuchte, ihn abzufangen, fiel Sarah auf – alle hier verhielten sich, als sei Marco jemand, ein sehr wichtiger Jemand.
    Lässig fing er den Umhang auf. Seine Hand griff nach dem Wollstoff, dann hüllte er Sarah darin ein und zog ihr die Kapuze über, sodass ihr Gesicht davon umrahmt war. Er wandte sich nach einer Männerstimme um, die ihm etwas in venezianischer Mundart zurief, und fing einen weiteren Umhang auf, den er sich selbst umlegte.
    «So, wir sehen aus wie aus einer anderen Zeit», sagte er.
    «Ist das nicht der Sinn des Karnevals?», fragte Sarah.
    «Ja, so könnte man sagen.»

    Sie gingen durch die stillen Gassen des Dorsoduro-Viertels, während rings um sie leise der Schnee herabrieselte. Niemand würde ihr das hier glauben, dachte Sarah. Nicht einmal sie selbst glaubte es. Die alten Mauern, die geheime Gärten und kleine Innenhöfe abschirmten, wurden vom Weiß weichgezeichnet, die Risse in uraltem Putz waren nur sichtbar, wo genügend Licht hinfiel.
    Eine kleine graue Katze folgte ihnen, hielt sich dichter an Marco als an Sarah, blieb aber seinen Füßen fern.
    «Eine Freundin von dir?», fragte sie leichthin.
    Marco zuckte die Achseln. «Venedig steckt voller Katzen.»
    Wohl wahr. Sie waren ebenso ein Teil der Stadt wie die allgegenwärtigen Tauben. Sarah beneidete die Tauben, die alles aus der Luft sehen konnten. Sie würden sich nicht verirren, wie sie es tat, doch es machte ihr nichts aus, sich zu verirren. Hinter jeder Ecke entdeckte sie etwas Neues, was wiederum etwas wunderbar Altes war. Würde es jemanden aus dem achtzehnten Jahrhundert in die Gegenwart verschlagen, hier fände er ohne weiteres nach Hause – und bei dem Gedanken fiel ihr ein, dass sie Marco gar nicht nach seinem Ziel gefragt hatte. Die Zu-dir-oder-zu-mir-Diskussion war noch nicht erfolgt, und sie wusste nicht, wo er wohnte. Wahrscheinlich in einem Palazzo.
    Sie seufzte. Ihre Herberge lag nicht weit, da war sie sich ziemlich sicher, bezweifelte aber, dass sie Marco an ihrer Wirtin vorbeibekäme, die sich lange mit Stricken wach hielt. Signora Dolcettis große, schwarzweiße Katze war so sanft wie eine Kuh und schlief mehr als die Signora selbst, gewöhnlich auf dem Fernsehapparat, der wärmsten Stelle in der Erdgeschosswohnung. Die Wirtin ließ ihre Tür offen stehen, sodass sich alles Kommen und Gehen vor ihren Augen abspielte.
    Der Gedanke, mit Marco im Bett zu liegen, ihre bloße Haut von seinen Händen erwärmt und seinen kraftvollen Körper auf sich zu spüren, ließ sie erschauern. Er nahm sie
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