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Masken der Lust (German Edition)

Masken der Lust (German Edition)

Titel: Masken der Lust (German Edition)
Autoren: Noelle Mack
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fester bei der Hand und blieb vor einem Café stehen, das sie schon mehr als einmal besucht hatte.
    «Sollen wir hineingehen? Du zitterst, und wir könnten dir etwas Heißes zu trinken besorgen. Ich bin froh, dass es noch geöffnet ist – ich habe heute dort ein Buch liegenlassen.»
    «Du kennst diesen Laden? Und ich dachte, ich hätte ihn entdeckt. Na gut.»
    Er lachte, und sie traten ein. Auch gut. Die Wirkung des Grappa auf ihren Verstand ließ nach, und allmählich kehrte ihre natürliche Vorsicht zurück. Sarah trat an einen Tisch und legte ihren Umhang ab, nahm auch seinen entgegen und hängte beide über eine Stuhllehne. Jetzt fröstelte sie wirklich. Der feuchtkalte venezianische Winter drang überallhin, vor allem in Nächten wie dieser.
    Sie rieb sich die Arme und wünschte, etwas Wärmeres angezogen zu haben. Die Jacke war eben lang genug, um ihren bloßen Bauch zu bedecken, konnte aber nicht viel bei dem winzigen Oberteil ausrichten, das genau richtig war, um darin die Nacht durchzutanzen. Sarah wusste, dass ihr die Zugluft früher oder später das Rückgrat empor- und unter ihre tiefgeschnittene Jeans kriechen würde. Sie hockte sich auf einen schmiedeeisernen Stuhl, während Marco an die Marmortheke trat und mit leiser Stimme zum Inhaber sprach. Es ging um das Buch, das er in dem Café vergessen hatte, so viel verstand sie, obwohl die venezianische Sprechweise schwer zu verstehen und es mit ihren italienischen Grundkenntnissen nicht sehr weit her war.
    Der alte Mann nickte und zog ein Buch unter dem Tresen hervor. Selbst von ihrem Sitzplatz aus konnte Sarah erkennen, dass es alt war, mit marmorierten Pappdeckeln und ledernem Rücken. Nicht eben viele Seiten.
    Wahrscheinlich Lyrik. Klingeling. Die Warnglocke. Mochte Marco noch so süß sein, Dichter bedeuteten Ärger. Aber er konnte einfach kein Dichter sein, und süß war das falsche Wort für einen Mann seines Kalibers. Selbst seine Rückenansicht war majestätisch. Der schwarze Abendanzug saß tadellos – von den breiten Schultern bis zu seinen schmalen Hüften, und seine Schuhe waren zweifellos maßgefertigt. Italienische Männer wussten, wie man sich kleidete.
    Nächste Frage. Sollte es ein Lyrikband sein, hieße das nicht zwangsläufig, dass er ihn verfasst hatte. Die Göttin der Liebesabenteuer im Ausland würde schon kein ausgemachtes Biest sein und sie an einen Dichter geraten lassen. Gewöhnlich waren sie pleite, launisch und neigten dazu, lyrische Werke laut vortragen zu wollen – wenn sie nicht gerade ihre eigenen schrieben, die entweder schlecht oder unverständlich waren.
    Nun, pleite war Marco eindeutig nicht. Für ihn galt das Wort gepflegt, insbesondere jetzt, wo sie ihn in richtig gutem Licht betrachten konnte. Ihr fielen noch weitere Worte ein, die so gut zu ihm passten wie seine maßgeschneiderten Kleider. Ungemein sexy. Ein wenig geheimnisvoll, aber auf gutmütige Art. Und für den Augenblick zu ihr gehörend.
    Tu den nächsten Schritt, dachte sie. Dir bleiben noch fünf Tage in Venedig. Gib bloß acht, dass du trotzdem ein wenig auf Abstand bleibst. Und bewahre dir deinen Stolz. Sie wollte nicht, dass er dachte, sie streune herum. Er hatte den lächerlich teuren Champagner bezahlt, den sie nicht einmal ausgetrunken hatten, nun würde sie für alles aufkommen, was sie hier bestellten.
    Sarah beschloss, dass ihr nach einer heißen Schokolade war. Die Europäer machten sie einfach sündhaft gut – sie schmolzen aromastarke Bitterschokoladeraspel in milchiger Sahne, gaben Zucker hinzu und schäumten alles zu einem köstliche Gebräu auf, das nichts mit dem pulvrigen Zeug gemein hatte, das sie als Kind so gern getrunken hatte. Sie stöberte in ihren Taschen nach Geld und zählte die ungewohnt aussehenden Münzen nach – sie hatte gerade eben genug. Dann glitt sie von ihrem verschnörkelten Stuhl herunter und trat an die Theke.
    Es tat gut, sich zu bewegen. Ihre engen Jeans hielten ihre Beine warm, das war von Vorteil. Aber ihre von irgendeinem Designer abgekupferte H&M-Jacke war viel zu schick für Knöpfe. Sarah hielt die offene Vorderseite zusammen, als Signor Morelli mit besorgter Miene merkte, wie wenig sie darunter anhatte.
    Marco schmunzelte bloß. Sie zeigte nichts, was er nicht schon gesehen hätte. Doch wie gern würde sie jetzt einen Becher mit etwas Heißem in den Händen halten, die bereits frostklamm waren. Sie hatte nicht daran gedacht, Handschuhe nach Venedig mitzunehmen, und vor Ort auch keine gekauft.
    Sie wusste,
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