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Masken der Lust (German Edition)

Masken der Lust (German Edition)

Titel: Masken der Lust (German Edition)
Autoren: Noelle Mack
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dass Signor Morelli ihr aus reiner Herzensgüte ein Paar überlassen würde, wenn er eines hätte. Er war furchtbar nett zu ihr gewesen, seit sie das erste Mal hereingekommen war, angezogen von der altmodischen, eher steif wirkenden Ausstattung des Cafés. Sie bestand aus goldgerahmten Spiegeln an den roten Wänden, kleinen Marmortischen und schmiedeeisernen Stühlen.
    Laut der gravierten Tafel an der Fassade gab es das Café seit 1777. Das allein hatte sie schon beeindruckt. Rechts und links war es von noch älteren Häusern gesäumt, und nicht weit entfernt standen Palazzi mit langer Geschichte. Doch viele davon waren nur noch traurige Schatten ihrer selbst mit bröckelnden Fassaden, die längst nicht mehr zu restaurieren waren. Dennoch, die stilvolle Erhabenheit der Stadt schlug sie in ihren Bann, welche Straße oder welchem Kanal sie auch folgte. Dieses Café war nicht in ihrem Reiseführer verzeichnet – und da ihr Marco erzählt hatte, er kenne es, verstand sie auch, warum. Hier verkehrten nur die echten Venezianer.
    Signor Morelli warf ihr einen fragenden Blick zu, und Sarah gelang es, ihren Wunsch zu äußern – eine heiße Schokolade für Marco und eine für sich, beide mit Sahnehäubchen und die Rechnung bitte an sie –, ohne das Italienisch allzu sehr durch die Mangel zu drehen.
    Marco schien es komisch zu finden, dass sie ihn einlud, machte aber keine Einwände, außer dass er auf die Schlagsahne verzichtete. Der Wirt murmelte ihnen eine höfliche Antwort in sehr akzentbehaftetem Englisch zu, als Sarah ihn anstrahlte. Die echten Venezianer waren nicht gerade begeistert von den Touristen, die über die Plätze und durch die Straßen der Stadt schwärmten und sie von den Vaporetti drängelten. Sarah hingegen schien akzeptiert worden zu sein, wenigstens von Signor Morelli.
    Und jetzt … auch von Marco – der eine ganz andere Sorte Mann war. Er sah in sein Buch und runzelte nachdenklich die Stirn. Sie warf heimlich einen Blick hinein. Es war irgendeine Art Lyrik, kurze Zeilen in Strophenform. Wie auch immer.
    Signor Morelli nahm sich Zeit, die beiden heißen Schokoladen zuzubereiten, doch sie wusste seine Sorgfalt zu schätzen. Als er fertig war, bewegte er ihre Tasse unter der Schlagsahnedüse langsam im Kreis, ganz der Aufgabe zugewandt. Sarah nutzte die Gelegenheit, Marco noch einmal rasch von oben bis unten zu betrachten, falls ihr irgendeine Einzelheit entgangen sein sollte.
    Hoppla. Er kehrte sich ihr zu und schenkte ihr einen kühlen Blick. Seine Augen waren einfach fesselnd.
    «Signorina …» Die freundliche Stimme des Cafébesitzers ließ sie hochschrecken. Sie blickte ihn mit weitgeöffneten Augen an und hielt ihm die Münzen in ihrer Hand hin. Er schob beide Tassen über den Marmortresen, fügte ihrer Untertasse einen schlanken Teelöffel hinzu und betätigte die Kurbel an der Registrierkasse, einer reichverzierten Antiquität.
    Sarah bedankte sich und nahm ihre Tasse. Der Teelöffel schepperte und verriet ihre Fahrigkeit, woraufhin sie die Tasse wieder absetzte, sich die Handtasche über die Schulter zu streifen versuchte, aber mit dem widerspenstigen Riemen zu kämpfen hatte.
    «Darf ich?» Marco kam ihr zu Hilfe, ohne auf eine Antwort zu warten.
    «Ah. Mein Großneffe ist solch ein Kavalier», sagte Signor Morelli. «Aber das dürften Sie ja wissen, Signorina Sarah.»
    Sie sah Marco überrascht an. «Er ist dein Onkel?»
    «Ja.» Marco lächelte schwach, während er den Riemen ihrer Handtasche an genau die richtige Stelle auf ihrer Schulter schob. Sie malte sich aus, wie er ebenso geschickt den Träger ihres Büstenhalters abstreifen würde. Nicht, dass Büstenhalterträger irgendwelche Schwierigkeiten darstellten. Aber zweifellos beherrschte er auch Häkchen und Ösen meisterlich.
    «Oh. Warum hast du mir das nicht schon bei unserem Eintreten erzählt?»
    Er zuckte vielsagend die Achseln. «Früher oder später wären wir ohnehin daraufgekommen.»
    «Wohl wahr.» Sie sah von Signor Morelli zu Marco, konnte aber keinerlei Ähnlichkeit feststellen, die ihr einen Hinweis gegeben hätte. Doch das spielte keine Rolle. Jemanden zu kennen, der ihn kannte, nahm ihr den letzten Rest Unbehagen daran, mit einem Unbekannten von einer wilden Feier aufgebrochen zu sein. Ihr Blick ruhte auf ihm, während der Cafébesitzer mit einem Handtuch den Tresen abwischte. «Dann heißt du Marco, äh, Morelli?»
    Er machte eine sehr italienische Geste, die alles und nichts bedeutete, aber gut aussah, so, wie
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