Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Masken der Begierde

Masken der Begierde

Titel: Masken der Begierde
Autoren: Ivy Paul
Vom Netzwerk:
gefühlten Ewigkeit intensivster Befragung und Musterung durch den Earl erhob sich dieser so abrupt, dass Violet erschrocken die Augen aufriss.
    „Ich nehme Euch in meine Dienste auf. Ich mag keine Verzögerungen. Habt Ihr Euer Gepäck dabei? Wir reisen sofort nach Halcyon Manor.“
    Violet wurde beinahe schwindlig vor Erleichterung. Sie hatte die Stelle! Sie war sich bis eben nicht sicher gewesen, ob sie den Earl von ihren Qualitäten hatte überzeugen können. Die Beschreibung seiner Schwester Allegra überzeugte Violet, dass das Mädchen lieb, aber schwächlich sein musste. Er drückte sich vage über anfallartige Zusammenbrüche aus. Vermutlich neigte die Fünfzehnjährige zu Hysterie und Ohnmacht. Violet richtete ihre Röcke und blickte auf. Der schwache Duft seines Rasierwassers wehte in ihre Nase, und er war ihr so nah, dass sie nur die Hand hätte ausstrecken müssen, um ihn zu berühren. Als er Violet gegenüberstand, konnte sie seinen muskulösen Körperbau bewundern. Sie hatte schon immer Gefallen an großen, kräftigen Männern gefunden, und der Earl of Pembroke übertraf ihre kühnsten Mädchenträume. Sie zwang sich zu geschäftsmäßiger Ruhe. Er war ihr Dienstherr. Ihr Status als Angestellte des Earls machte aus ihr nur wenig mehr als ein Möbelstück.
    „Selbstverständlich, Mylord. Es ist mir eine Ehre, in Eure Dienste zu treten“, erklärte sie beflissen.
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung.
    „Es ist unnötig, mir schönzutun. Eure Aufgabe ist es, meiner Schwester Allegra Gefährtin, Lehrerin und Pflegerin zu sein. Ihre …“ Er zögerte und sein Blick flackerte. „… Konstitution ist nicht mit der anderer Mädchen ihres Alters vergleichbar. Eure Sorge gilt allein ihrem Wohlbefinden.“ Lucas brachte körperliche Distanz zwischen sich und Violet. „Fügt meiner Schwester Schmerzen zu, Miss Delacroix, und ich vergelte es Euch tausendfach.“
    Die Drohung zwischen den Zeilen ließ Violet frösteln. Doch sie beschloss, zu beenden, was sie angefangen hatte. Koste es, was es wolle. Mit einem Mal beschlich sie das Gefühl, dass mit ihrer Zustimmung nichts mehr so sein würde, wie es war.
     
    Die Kutsche rumpelte über die Straßen. Violet sah aus dem Fenster und bewunderte die Landschaft. Sattgrüne Wiesen, lang gezogene Seen und pittoreske Dörfchen zogen draußen vorüber. Violet, die nie andere Gegenden als die Grafschaft Kent und London gesehen hatte, stieß begeisterte Laute aus. „Die Gegend ist einfach bezaubernd!“
    „Das will ich nicht leugnen.“ Ihr Arbeitgeber, Lord Pembroke, lächelte das erste Mal, seit sie seine Bekanntschaft gemacht hatte. „Doch jetzt im April ist es längst nicht so reizvoll wie im Sommer. Ihr werdet sicher hingerissen sein, wenn Ihr die Landschaft in ihrer vollen Pracht erlebt.“
    Violet warf ihm nur einen kurzen Blick zu, doch sie war sofort wieder gefangen vom silbrigen Grau seiner Augen. Lachfältchen machten ihn sympathisch und anziehend. Ein warmes Rumoren in Violets Magengrube ließ sie verharren. Um nichts in der Welt wollte sie die Aufmerksamkeit dieses offensichtlich gut gelaunten, zugänglichen Earls verlieren. Ihr schwante, dass diese Momente selten sein würden. Ihr Dienstherr schien zumeist ein grüblerischer, ernster Mensch zu sein.
    „Lebt Ihr ausschließlich auf Halcyon Manor?“, erkundigte sie sich höflich.
    Lucas St. Clare nickte. „Der Zustand meiner Schwester lässt es nicht zu, in London zu leben. Was mich betrifft, ziehe ich die ländliche Idylle dem oberflächlichen Stadtleben ohnehin vor.“ Er zog eine Taschenuhr hervor und starrte darauf. „Wir müssten rechtzeitig zum Tee eintreffen.“
    Die arme Allegra! Es musste schlimm um ihren Zustand bestellt sein, wenn ihre Gesundheit keine Reisen erlaubte.
    „Ihr erzähltet, Eure Schwester sei etliche Jahre jünger als Ihr?“ Violet nutzte die momentane Redseligkeit Lucas St. Clares aus. Eine Ahnung sagte ihr, dass er sich selten derart aufgeschlossen zeigte.
    Der Earl lehnte sich zurück. Einige seiner sandfarbenen Haarlocken hatten der Zähmung durch Pomade widerstanden und fielen ihm ins Gesicht, was ihn verwegen wie einen Piraten wirken ließ.
    „Allegras Mutter Bethany war meine Stiefmutter. Kaum älter als ich.“ Der verbitterte Tonfall verriet Violet mehr, als Lord Pembroke erzählte. „Sie starb kurz nach Allegras drittem Geburtstag.“ Auf Violets fragenden Blick hin erklärte er: „Ein Kutschenunfall zusammen mit unserem Vater.“
    „Dann ist Allegra eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher