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Masken der Begierde

Masken der Begierde

Titel: Masken der Begierde
Autoren: Ivy Paul
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Nachmittag war. Händler, Bauern und einfacher Landadel saßen auf Stühlen und Bänken, lachten, tranken und plauderten. Eine Gruppe junger Gentry-Männer spielte Karten an einem der hinteren Tische. Ein Bauer lag auf seinen verschränkten Armen, neben sich einen leeren Weinkrug, und schlief, während seine Freunde trunken zotige Lieder zum Besten gaben.
    Zögernd näherte sich Violet der Theke, wo ein Mann mit Schürze die Krüge füllte.
    „Sir, ich suche Esquire John Smithson.“ Sie schluckte ihre Unsicherheit hinunter und hob ihr Kinn.
    Der Wirt musterte sie neugierig, ehe er eine Kopfbewegung Richtung Treppe machte. „Dritte Tür links. Ihr braucht nur zu klopfen, Miss!“
    Violet nickte und stieg die knarrenden Holzstufen empor. Ihre Knie zitterten. Sie hatte geglaubt, alles, was kommen würde, wäre nur noch ein Schatten jener Erfahrungen, die hinter ihr lagen. Doch nun erkannte sie, dass jedes neue Erlebnis für sie zu einem Berg erwuchs, den es zu bezwingen galt.
    Sie kam vor der Tür an, holte Luft und hob ihre Faust. Das Klopfen klang in ihren Ohren kläglich. Auf die Antwort des Esquires hin trat sie vorsichtig ein.
    Der Mann stand in einer Ecke des verdunkelten Raumes, und mehr als seine Konturen waren im ersten Moment nicht zu erkennen. Jemand hatte die Vorhänge vor die Fenster gezogen, so war es dunkel und stickig. Die Flammen aus dem Kamin ließen rötlich-gelbe Lichter im Zimmer tanzen. Violet erkannte die Umrisse der Möbelstücke, ein Sofa, ein Ohrensessel vor dem Feuer, ein Beistelltischchen mit Karaffe und Weinbrandglas sowie die Kamingarnitur. Ein wichtiges Detail, sollte der mysteriöse Mann im Schatten zudringlich werden. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit dem Esquire zu und sank in einen tiefen Knicks.
    „Hattet Ihr eine angenehme Fahrt hierher, Miss Delacroix?“ Seine Stimme klang rau und volltönend. Er brachte etwas in ihrer Seele zum Klingen, das kein Mann vorher berührt hatte.
    „Ja, Sir John“, erwiderte sie wohlerzogen.
    „D’où etes-vous, Mademoiselle Delacroix?“ Woher kommt Ihr, Mademoiselle Delacroix?
    Violet benötigte einen Moment, ehe sie begriff, dass er sie auf Französisch anredete.
    „Je suis de London.“ Sie blieb nahe genug an der Wahrheit, um sich nicht in Erklärungsnöte zu bringen.
    Sein Blick glitt wie ein Feuerhauch über ihren Körper. Sie schluckte trocken, ignorierte das Zittern ihrer Knie und sehnte sich nach einem Schluck Wasser, einem kühlen Luftzug, irgendetwas, das die Hitze milderte, die ihren Körper ergriffen hatte. Aus dem Schatten heraus erkannte sie nicht mehr als seinen Schemen und die hellen Augen, die sie verschlangen und zum Beben brachten.
    „Sprecht Ihr akzentfreies Englisch?“ Seine Augen verengten sich, und Violet fragte sich, womit sie seinen Unmut herausgefordert hatte, der ihr entgegenschlug.
    „Selbstverständlich“, entgegnete sie würdevoll. „Meine Mutter war Französin, mein Vater Engländer. Mein Französisch ist ebenso einwandfrei.“ Sie fügte hinzu: „Als wäre ich eine gebürtige Pariserin.“
    Der Mann nickte.
    „Ihr habt die Stellenbeschreibung gelesen. Könnt Ihr dieser in allen Punkten entsprechen?“
    Violet straffte sich. „Auf jeden Fall, Mylord.“
    Esquire Smithson trat aus dem Schatten heraus, und zum ersten Mal konnte Violet ihn betrachten. Sein Gesicht war im eigentlichen Sinne nicht schön zu nennen. Es war ein kantiges, männliches Gesicht, mit von Problemen und Sorgen umwölkten Augen, deren Farbe sie gefangen nahm. Sie erwiesen sich von intensivem Grau, so grau wie die stürmische See. Und sein Blick traf sie bis ins Mark. Hitze wanderte ihr Rückgrat empor.
    Er hob seine große Hand und legte sie auf die Brust, eine zutiefst männliche und doch auch anrührende Geste.
    „Ich bin Lucas St. Clare, Earl of Pembroke. Mein Anwesen Halcyon Manor liegt beim Lake Ullswater am Rande des Moors von Martinsdale.“
    Violet knickste. „Erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen, Lord Pembroke.“
    Der Earl nickte knapp und deutete auf das Sofa.
    „Setzt Euch“, befahl er harsch. Er wartete, bis Violet Platz genommen hatte, und ließ sich dann im Ohrensessel nieder. „Meine Wünsche bezüglich der Betreuerin meiner Schwester Allegra waren detailliert in dem Inserat dargelegt.“
    Lucas St. Clares graue Augen fesselten Violet. Sie zwang sich zu einer bejahenden Kopfbewegung.
    „Ihr verfügt über erstklassige Referenzen. Lady Isabels Schreiben ist voll des Lobes über Euch“, begann er.
     
    Nach einer
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