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Mary, Tansey und die Reise durch die Nacht

Mary, Tansey und die Reise durch die Nacht

Titel: Mary, Tansey und die Reise durch die Nacht
Autoren: R Doyle
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meiner Zeit hießen sie alle Mary«, sagte die Frau. »Und jetzt ab mit dir. Bis nächstes Mal.«
    Nächstes Mal? Mary hätte besorgt sein müssen, sogar ängstlich. Sie war besorgt und ein wenig ängstlich. Aber längst nicht so sehr, wie sie eigentlich angenommen hätte. Diese Frau war aus dem Nichts aufgetaucht. Sie kannte Marys Namen und wusste alles über ihre Großmutter – das hätte Mary wirklich erschrecken sollen. Tat es aber nicht. Irgendetwas an der Frau, an der Art, wie sie redete, an ihrem Gesicht, an ihrem Lächeln – es kam ihr vertraut vor. Mary kannte sie nicht – und kannte sie dennoch.
    Sie hatte keine Angst. Trotzdem stürmte sie zur Haustür und klingelte, anstatt ihren Schlüssel aus der Schultasche zu kramen. Den Finger auf dem Klingelknopf, drehte sie sich um. Aber die Frau war verschwunden.
    Sie hörte, wie die Tür aufging.
    »Mary!«
    Ihre Mutter.
    »Wie war es in der Schule?«
    »Dämlich.«
    Sie ging direkt an ihrer Mutter vorbei in den Flur.
    »Warum hast du es denn so eilig?«
    »Ich hab Hunger.«

Es brach einem das Herz, die beste Freundin zu verlieren, aber die Sache hatte auch einige nicht unangenehme Nebeneffekte. Bis jetzt hatte Mary neue Jeans versprochen bekommen, zwei neue Tops, einen Kinobesuch und zweimal hintereinander Arme Ritter zum Mittagessen.
    Als ihre Mutter ihr die Tür öffnete, roch es noch nicht nach Armen Rittern, aber das ging in Ordnung, denn es war Mary, die sie zubereiten würde. Sie hatte beschlossen, Köchin zu werden.
    »Großartige Idee!«, sagte ihre Mutter.
    »Hör auf, so zu reden«, sagte Mary.
    »Wie?«
    »So !!!!!!!!!!«
    »Oh, nein!«, sagte ihre Mutter, die Scarlett hieß. »So rede ich doch nicht etwa?! Oder?!«
    »Doch, tust du.«
    »Wirklich?! Etwa immer?!«
    »Ja!«
    »Tut mir leid!«, flüsterte Scarlett.
    »Sogar wenn du flüsterst, tust du es mit !!!«, flüsterte Mary zurück.
    »Du hattest gesagt, dass du Köchin werden willst.«
    »Stimmt.«
    »Eine weltberühmte Köchin, wenn ich mich richtig erinnere.«
    »Ganz genau.«
    »Was ist dir dabei am wichtigsten? ›Welt‹, ›berühmt‹ oder ›Köchin‹?«
    Das gehörte zu der Art Fragen, wie Mary sie liebte, also dachte sie eine Weile darüber nach.
    »Köchin«, sagte sie nach etwa zehn Sekunden.
    »Ich schätze, das war die richtige Wahl!«, sagte Scarlett.
    »Natürlich war es das«, sagte Mary. »Man muss zuerst Köchin sein, um damit berühmt werden zu können.«
    »Eben!«
    »Genauso, wie ich, weiß nicht, erst jemanden umbringen müsste, um zu einer weltberühmten Mörderin zu werden«, sagte Mary. »Nicht dass ich dabei an jemand ganz Bestimmten denke.«
    Vorwitz galt meistens als ein Zeichen von Intelligenz. Deshalb gefiel es Scarlett in der Regel, wenn Mary vorlaut war. Meine clevere Tochter hat mich mal wieder beleidigt! Manchmal war es aber auch bloß ermüdend und selbst Marys Schnarchen klang vorlaut.
    »Oh, halt die Klappe, Mary!«, sagte Scarlett.
    Was Mary auch tat. Vorwitz war ein ebensolches Zeichen von Intelligenz, wie im richtigen Moment die Klappe zu halten.
    Der Plan war, dass Mary jeden Tag etwas anderes kochen wollte und dass die Rezepte dabei von Mal zu Mal kniffliger wurden. Sie hatten eine Liste angefertigt, für zehn Tage Kochen. Scarlett liebte Listen – aber Mary hielt die Klappe und sagte nichts dazu.
    Jetzt, heute, gerade nachdem sie die Frau draußen getroffen hatte, ging Mary durch den Flur zur Küche.
    »Scheint so, als wärst du heute etwas fröhlicher!«, sagte Scarlett.
    Unter anderen Umständen hätte ein solcher Kommentar, mit dem ihre Mutter versuchte, gute Laune aus ihr herauszukitzeln, Mary genervt. Aber als sie gerade ansetzte, ihrer Mutter zu sagen, Nein, sie sei ganz und gar nicht fröhlicher, fiel ihr etwas auf: Sie war tatsächlich fröhlicher.
    Also schloss sie den Mund und fing von vorn an.
    »Könnte sein«, sagte sie.
    »Großartig!«, sagte Scarlett. »Dann lief es in der Schule heute bestimmt gut!«
    »Nein«, sagte Mary.
    »Oh«, sagte Scarlett. »Aber im Bus nach Hause hattest du Spaß!«
    »Nein.«
    »Na ja, jedenfalls wette ich, dass du Hunger hast.«
    »Nein«, sagte Mary. »Ich meine, doch, ich bin kurz vorm Verhungern, irgendwie. Aber das ist nicht der Grund dafür, dass ich besser drauf bin. Verhungernde Menschen sind nicht gut drauf.«
    »Warum dann?!«, sagte Scarlett.
    Mary schlug bereits die Eier auf dem Rand einer gläsernen Schüssel auf.
    »Ich hab unsere neue Nachbarin getroffen«, sagte sie. »Sie ist
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