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Marx, my Love

Marx, my Love

Titel: Marx, my Love
Autoren: Christine Grän
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Damen haben nichts dagegen, mich zu begleiten?« Er schiebt die Pistole in Joys Rücken, sie macht sich steif und sieht Anna an, als wüsste diese von einem Happy End, das Joy noch nicht begriffen hat. »Wenn Sie etwas Dummes tun, Anna, erschieße ich erst den Hasen und dann Sie. Man neigt dazu, Polizisten die unwahrscheinlichsten Dinge zu glauben.«
    Anna widerspricht ihm nicht. Sie redet mit sich selbst, mit der Stimme des Widerstands, die ihr sagt, dass sie ihm auf keinen Fall folgen dürfen wie die Lämmer zur Schlachtbank. »Darf ich den Inhalt meiner Tasche aufsammeln, der im Flur liegt? Ich möchte wenigstens meine Zigaretten dabei haben.«
    »Rauchen schadet der Gesundheit. Aber wenn es Sie beruhigt…« Er zieht Joy neben sich her und wartet im Flur, während Anna vor der Tür und auf Knien, ihm den Rücken zugewandt, ihre unglaubliche Sammlung unnützer Dinge in die Tasche schiebt. Bis auf die Pistole, die sie jetzt in der Hand hält und entsichert. Sie weiß nicht einmal, ob sie geladen ist. Vielleicht hat Lily das Magazin leer geschossen, als sie glaubte, dass es nur noch einen Weg gibt. Manchmal glaubt man das. Und tut es, ohne an Risiken oder Konsequenzen zu denken. Tue es einfach.
    »Sind Sie endlich fertig?«
    Die Stimme klingt hart in ihrem Rücken. Wie ein Maschinengewehr. Er wird nie wieder eine sanfte Stimme haben, der Bulle, der Mörder. Tue es.
    Anna steht auf und hält mit einer Hand ihre Tasche über der Waffe, die sie mit der anderen umklammert. Sie hasst Gewalt. Detektive sind Verlierer, die schießen müssen. Tue es.
    Sie dreht sich um. Er steht neben Joy, seine Pistole ist auf den Boden gerichtet. Er bietet ein breites Ziel. Tue es.
    Anna schießt.

25. Kapitel
     
     
     
    »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!«
    Die Torte trägt fünfzig Kerzen und ist das Kunstwerk eines depressiven Koreaners, der sie vor Anna hält wie die Kronjuwelen. Er strahlt, denn für einen flüchtigen Augenblick glaubt er, dass die Menschen ihn lieben, weil er ein Genie ist – oder zumindest Teil einer Gemeinschaft, die füreinander da ist.
    Mondsichelförmige Luftballons schmücken Sibylles Kneipe, und Freddy schwebt mit einem Tablett voller Sektgläser durch die Gästeschar, denn er ist verliebt, und dies ist der einzige Zustand, den er für angemessen hält.
    Der Filmagent spielt mit seinem Porscheschlüssel, um eine großwüchsige Blondine zu beeindrucken.
    Fjodor sitzt vor einer halb leeren Vodkaflasche, denkt leidenschaftlich an eine polnische Schönheit und verflucht seinen Penis, bevor ihn der Gedanke tröstet, dass er vor großem Publikum singen wird. Vielleicht ist ein Impresario dabei, der ihn entdecken wird. Oder ein Agent…
    Die üblichen Verdächtigen ohne Einladung betrinken sich auf Kosten des Hauses.
    Sibylle trägt ein unförmiges Umstandskleid, das ihr viel zu weit ist. Sie umarmt Anna, die zu Tränen gerührt murmelt, dass diese Überraschung nun wirklich gelungen sei. »Leider bin ich schon über die Fünfzig hinweg.«
    »Aber du lebst noch. Darauf sollte man trinken! Und auf alles, was kommt…«
    Anna sieht auf Sibylles Bauch. Sie hat auf seinen Bauch gezielt, weil es das Größte und Einfachste schien. Leider traf sie etwas daneben oder besser gesagt darunter. Ein sexistischer Schuss, absichtslos und nicht tödlich, was zu preisen ist.
    Johannes Täufer liegt im Gefängniskrankenhaus. Den Fall von Notwehr haben sie ihr schließlich geglaubt und sie gehen lassen, als sie über fünfzig war. Anna hatte einen guten Anwalt, den sie sich nicht leisten kann.
    »Unser Geschenk«, sagt Sibylle und überreicht ihr einen Umschlag. »Wir haben gesammelt- für den Rechtsbeistand.«
    Anna umklammert ihr Geschenk und blickt in die Runde strahlender Gesichter. Dies ist ein Freudentag, und sie weint. Um Lily, die verschwunden blieb, und Marilyn, die wie ihr großes Idol zu früh starb. Joy ist in Polen, wohin man sie ohnehin abgeschoben hätte.
    Als der Bulle schon am Boden lag und Joy über ihn hinwegstieg ganz ohne Erbarmen, da drückte sie Anna ein winziges Tonband in die Hand, das einzige, das sie nicht versenkt hatte. Eine Art von Dank für einen Schuss, den Anna sich nie zugetraut hätte.
    Die Kassette liegt in der Schublade ihres Schreibtisches. Anna holt sie manchmal heraus, hat sich aber noch nie entschließen können, sie abzuhören. Sie wird es tun, eines Tages, weil ihre Neugierde immer stärker war als das bisschen Vernunft.
    »Fjodor singt für uns«, sagt Sibylle. »Sein
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