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Marx, my Love

Marx, my Love

Titel: Marx, my Love
Autoren: Christine Grän
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»Könnte man sagen. Die gute Marilyn war zu gierig, das wird wohl der Grund für ihr vorzeitiges Ableben gewesen sein. Aber ich war’s nicht. Sie könnte praktisch jeden erpresst haben… und das weiß dieser verdammte Polizist ganz genau. Ich hab nun mal nicht das Zeug zu einem Mörder.«
    »Nicht mal zum Folterer«, sagt Anna und denkt, dass er unter gegebenen Umständen alles sein könnte, nur nicht ein anständiger Mensch. Aber auch, dass sie ihm glaubt, ganz im Gegensatz zu Johannes Täufer. Mackeroth ist nicht der Typ, der aus Leidenschaft oder Verzweiflung oder Sadismus mordet. Er ist überheblich und feige, was gegen ihn, aber für seine Unschuld spricht.
    »Sie haben’s kapiert.« Mackeroth legt einen Geldschein auf den Tisch, der seinem Verzehr entspricht. »Also sagen Sie Joy, sie soll das Geld nehmen, die Bänder liefern und sich aus dem Staub machen. Hier sind meine Nummern, sie soll mich anrufen… Oh verdammt, ich muss zu den Außenaufnahmen… also dann…«
    »Was spielen Sie?«, fragt Anna, als er ihr schon halb den Rücken zugewendet hat.
    »Einen Widerstandskämpfer.« Mackeroth ist schon an der Tür, und er dreht sich nicht mehr zu ihr um. Sie nimmt seine Karte in die Hand und murmelt: »Fehlbesetzung.« Doch dies ist belanglos im Vergleich zu der Frage, wo Joy die Tonbänder versteckt hat. Ein neuer Joker im Spiel, und Mackeroth hat Recht: ein gefährlicher. Joy, vielleicht noch benommen von den Tabletten, hatte sich am Morgen jedem Gespräch verweigert.
    Sie saß im Bett und trank mit Fjodor Kaffee, als Anna hochkam. Dass ein Wesen, auf der Flucht oder im Tiefschlaf und mit verschmiertem Make-up, so schön aussehen konnte wie Joy in diesem Bett, erboste Anna augenblicklich. Sie traut sich morgens kaum, in den Spiegel zu sehen – und wenn, wendet sie sich mit Grausen.
    Fjodor hatte sie nicht gerade herzlich empfangen. Anna störte, daran ließ er keinen Zweifel, als er die Tür öffnete. Denn Fjodor gab den verliebten Eunuchen, der seinen Schatz vor Eindringlingen zu beschützen suchte.
    »Sie muss erst zu Kraft und Saft kommen«, sagte er zu Anna, die ihre Kühlschrankorgie bereits zutiefst bereute. Er schmierte Brot mit Marmelade und reichte sie dem Wesen, das im Bett saß und das Laken über die Brüste gezogen hatte, aber so, dass man den wundervollen Ansatz sehen konnte.
    »Sie muss reden«, sagte Anna, »sonst kann ich ihr nicht helfen.«
    Joy sprach ein paar Sätze in Russisch, und Fjodor übersetzte: »Sie will erst essen, dann baden und sich ihrer Schönheitschirurgie widmen, mit ihrer Mutter telefonieren und dann mit dir sprechen. In dieser Folge… ist sie nicht anbetungswürdig?«
    »Nein«, erwiderte Anna, »sie ist eine Nervensäge, von der ich dachte, dass sie in Todesängsten schwebt. Wieso sind mir die Täter oft näher am Herzen als die Opfer, kannst du mir das sagen?«
    Joy sah Anna an, als würde sie jedes Wort verstehen. Märchenhaft blaue Augen in einem Gesicht von perfekter Symmetrie. Der Ausdruck von Unschuld und Naivität kann echt oder gespielt sein, dachte Anna, und dass ihre Freundin sie an Schönheit dennoch übertroffen hatte. Aber Marilyn war tot.
    »Du bist nur neidisch«, zwitscherte Fjodor.
    »Besser neidisch als impotent.« Anna beherrschte sich, sein Gesicht nicht in ein Marmeladenbrot zu tunken. Joy sah Anna schläfrig an und streckte ihre Hand aus, um das verschonte Brot entgegenzunehmen.
    »Das war bodenlose Gürtellinie, Anna. Ich denke, du solltest auch frühstücken und später wiederkommen. Der hohle Magen macht dich reizvoll.«
    »Reizbar«, korrigierte Anna, »und sag deiner Angebeteten, dass ich in circa zwei bis drei Stunden wiederkomme. Wenn sie dann immer noch nicht reden möchte, übergebe ich sie der Polizei. Ich bin’s nämlich leid, von allen verarscht zu werden.«
    Die weißen Zähne zermalmten Weizen, Fett und Zucker, und die blassroten Lippen lächelten wundersam. Anna tat es schon leid, was sie gesagt hatte. Sie drehte sich um und schlug zwei Türen hinter sich zu, erst die im Schlafzimmer und dann im Flur. Es knallte herrlich und besänftigte sie ein wenig.
    Sie ging die Treppen hinunter in ihre Wohnung, in ihr Büro, und rief Mackeroth an, um sich mit ihm zu verabreden. Marlowe ruht nicht, bis die Wahrheit ans Licht des Tages kommt.
    Philip Marlowe ist von seinem Schöpfer als Verlierer angelegt worden. Unter anderem, weil er kein Geld hat. Anna sieht die Parallelen und tröstet sich damit, in guter Gesellschaft zu sein. Viele
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