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Marx, my Love

Marx, my Love

Titel: Marx, my Love
Autoren: Christine Grän
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weiß«, sagt Anna. »Heißt das, dass die Firma jetzt in Konkurs geht?«
    Er bestellt noch einen Espresso. Er ist ein starker Mann mit Umgangsformen von pornografischer Höflichkeit. »Nein, Hanni wird es schaffen, die Pleite abzuwenden. Wir brauchen nur einen Teilhaber, der Geld einbringt, das ist alles. Es laufen schon Gespräche mit Schweizer Investoren… aber das bleibt unter uns, bis die Sache spruchreif ist. Bisher halten die Banken noch still…«
    »Wieso wir?«, fragt Anna.
    »Na ja, wir haben uns sozusagen zusammengetan. Ich kriege einen kleinen Anteil an der Firma, wenn alles klappt. Und dann kann ich endlich die Filme machen, die meinem Talent entsprechen.«
    Anna kreist. Sie ist der Greif, den ein Bulle auf einen eitlen Bock angesetzt hat. Mackeroth: ein Mörder? Sie kann es nicht glauben. »Anspruchsvolle Filme?«
    »Blödsinn. Actionstreifen im amerikanischen Stil. Das, was die Massen wirklich anturnt. So gut wie Schwarzenegger bin ich lange, das können Sie mir glauben.«
    Anna glaubt es sofort. Und einer längst ruinierten Kunstform kann auch ein Benno Schwarzenegger nichts mehr anhaben. »Aber was sagt Jacob Lenz zu alledem? Ihm gehört doch die Hälfte, oder?«
    Benno lächelt jetzt ein wenig gemein. »Hanni hat ihn ausgetrickst. Fragen Sie mich besser nicht, wie! Sie ist ein wirklich talentiertes Mädchen, und ich schätze sie ungemein. Schöne Frauen öden mich ohnehin an…«
    Dann hat sich die Creme der Bagage ja gefunden, denkt Anna, und weil er das Stichwort gegeben hat, kreist sie tiefer. »Aber in Marilyn alias Agnes Pelcic waren Sie doch wahnsinnig verliebt?«
    Mackeroth ist Schauspieler, sein Gesichtausdruck bleibt auf blasierte Weise freundlich. »Welcher Vogel hat Ihnen das ins Ohr gezwitschert? Ist im Übrigen leicht übertrieben. Wir hatten tatsächlich eine kurze, heiße Affäre, aber schließlich war sie nur eine Hure.«
    Nicht mehr als du, ist Annas unausgesprochene Antwort. Sie sagt etwas ganz anderes: »Die Polizei glaubt, dass Sie Agnes vom Balkon gestoßen haben. Und sie sucht Agnes’ Freundin Joy, die das vielleicht bestätigen kann…«
    Die Geräuschkulisse erscheint plötzlich ganz leise. Hat sie zu laut gesprochen? Anna sieht Sibylle, die hinter der Bar steht und ihr zulächelt, allerdings eher besorgt. Freddy trinkt leise und beharrlich vor sich hin, denn er trauert um seinen Boxer, der ihn doch noch verlassen hat.
    Mackeroth ist blass geworden, die Maske verrutscht für einen Augenblick, dann hat er sich wieder unter Kontrolle.
    Er zischt seine Sätze im Ton entrüsteter Unschuld: »Sind Sie völlig übergeschnappt? Wenn ich all meine Exfrauen ermordet hätte, wäre Berlin halb entvölkert. So einen Quatsch kann sich auch nur dieser verrückte Bulle ausdenken. Er hat es auf mich abgesehen, das ist mir klar. Er will mich fertig machen! Aber nicht mit Benno Mackeroth… außerdem hab ich ein Alibi.« Sich an die Brust greifend, was Anna als overplayed empfindet: »Und ein Herz weiß wie Schnee.«
    »Warum«, fragt sie sanft, »sind Sie dann sofort gekommen, als ich am Telefon Joy erwähnte?«
    »Was geht Sie diese ganze Scheiße überhaupt an?«, fragt er zurück. Unhöfliche Pornografie. Er zieht an seiner Pfeife, die kalt geworden ist.
    »Ich neige zur Einmischung«, erwidert Anna. »Außerdem möchte ich nicht, dass dem Mädchen etwas passiert.«
    Benno beugt sich zu ihr, und sie riecht Pfeifenatem. »Wenn sie die kleinen Kassetten hat, sollte sie tatsächlich auf sich aufpassen.«
    Das Wort hört Anna zum ersten Mal. Und ahnt den Zusammenhang, worauf sie beinahe stolz ist. Der Zweitagebart schimmert schwarzblau, und seine Augen sind der blinde Spiegel einer unerheblichen Seele. »Sie meinen die Bänder, die Marilyn aufgenommen hat bei allen Gelagen, an denen sie teilnahm.«
    »Bingo.« Mackeroth zieht sein Gesicht zurück. »Und das, meine Teuerste, ist auch der Grund, weshalb ich mich für die kleine Nutte interessiere. Es wäre doch blöd, wenn sie in falsche Hände kämen. In die Presse zum Beispiel. Gerade jetzt, wo die Gespräche mit den Investoren laufen, könnte das sehr destruktiv sein. Hanni ist bereit, dafür dreißigtausend hinzulegen. Das können Sie der Dame ausrichten. Für alle Bänder natürlich… ich weiß nicht, wie viele Marilyn im Verlauf ihrer erotischen Existenz aufgenommen hat… es werden nicht wenige sein.«
    »Und sie alle handeln von Sex und Geld und Korruption«, sagt Anna.
    Der missglückte Versuch eines Schwarzenegger-Lächelns.
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