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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder
Autoren: Bertha von Suttner
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wachsenden Kultur verbündest, wenn Du – geschehe was wolle – ausharrst als Streiter der Güte. »Die Zukunft gehört der Güte« – das Wort stammt von Tilling – aber damit die Güte zur Eroberin werde, zur Welteroberin, dazu braucht sie ihre kraftvollen Helden. Mögest Du ein solcher sein! Dabei aber sollst Du nicht – ich sagte es schon – hingeopfert werden. Die Arbeit am Glück anderer schließt das eigene Glück nicht aus.«
    »Tilling war glücklich,« sagte Rudolf nachdenklich.
    »Ja – und auch ich. Weißt Du, Rudolf, Du solltest– – doch nein ich will nicht etwa diese Stunde mißbrauchen, um Dir etwas aufzuzwingen, wozu Dein eigenes Herz Dich nicht drängt... aber wenn Du Dich einmal einsam fühlst ... Oder, sag' mir's offen: hast Du irgend eine Liebe, die –«
    »Nein, ich bin frei – und ich verstehe, wo Du hinauswillst ... Cajetane... Was meintest Du – bei Tisch – als Du sagtest, sie hätte mich geflohen?«
    »Es ist so. Sie ahnt, daß Du von ihrer Liebe weißt, und dabei weiß sie, daß Du nicht an sie denkst – also meidet sie Deine Nähe, aus Stolz und aus Furcht – – Sie liebt und bewundert Dich so sehr, daß sie ganz aufgehen würde in Deinem Tun und Streben ... davon ist ihr nichts mehr fremd. Nicht nur, daß sie alles auswendig weiß, was Du geschrieben und gesprochen– alle Berichte über Deine Vorträge besitzt sie – sie ist auch durch meine Schule gegangen. Ich habe sie in unsere Ideale eingeweiht – Du hast auf der ganzen Welt keine verständnisvollere und begeisterte Anhängerin als sie, Rudolf. Doch genug – ich darf in dieser Stunde nicht einen Druck auf Deine Entschließungen üben – wenigstens in dieser Richtung nicht. Da habe ich noch eine andre Bitte als Sterbende an Dich: Nimm Dich unserer Sylvia an – sei ihr Stütze! Sie wird sich erholen – aber jetzt darf man sie ihrem Grübeln nicht überlassen. Nimm Dich ihrer an.«
    »Ich verspreche es.«
    »So und jetzt« – Martha erhob sich wieder in sitzende Lage – »jetzt kehre ich wieder zu den Lebenden, den vielleicht noch lange Lebenden zurück. Die Fiktion ist vorüber. Ich will gesund werden.«
    Rudolf umarmte sie:
    »Das hoffe ich zuversichtlich, Mutter!«
    Am nächsten Tage, als Mutter und Sohn wieder allein waren, kamen sie auf die Gegenstände zurück, die gestern in der fiktiven Sterbestunde besprochen worden – diesmal aber ohne Pathos, in familiärem Ton.
    »Ich fühle mich heute wirklich viel besser,« sagte Martha, »vielleicht wird's noch ganz gut.«
    »Aber gewiß!«
    »Weißt Du, obgleich ich das Sterben nicht fürchte, das Leben ist mir doch noch lieb. Es ist – abgesehen von seinen Freuden, die ja mit seinen Sorgen abwechseln – an sich doch so interessant. Wenigstens fünf Jahre wollte ich noch leben.«
    »Warum gerade fünf?«
    »Weil da ein neues Jahrhundert eintritt, und die Menschen dann vielleicht –«
    »Ach, das hoffe ich nicht,« unterbrach Rudolf kopfschüttelnd. »Die Natur macht keine Sprünge – die Zivilisation auch nicht. Sag' mir, Mutter, um von näherliegenden Dingen zu reden: Du wolltest mir keinen bindenden Wunsch aussprechen inbezug auf – – auf –« Er stockte.
    »Nun?«
    »Auf Cajetane – sag', würdest Du es wünschen?...«
    »O, wie sehr!«
    »Warum?«
    »Schon, damit sich Dein Adel fortpflanzt –«
    »Mein Adel? Darauf legst Du Wert? Nun aber ich dem Majorat entsagt habe –«
    »Mißversteh' mich nicht. Nicht an den gräflich Dotzkyschen Adel denke ich – sondern an Deinen Rang als Edelmensch. Auch dieses Wort stammt von Tilling, erinnerst Du Dich? – und so wie Du den Rang von Tilling übernommen, so könntest Du ihn einst einem Sohn übertragen. Den Stamm derer fortsetzen, die den Mut haben, das Rechte, das sie sehen, auch zu ergreifen – Du würdest ja Deine Kinder danach erziehen.«
    »Schon wieder denkst Du an ferne Generationen? – Einstweilen trachte ich erziehend auf meine Zeitgenossen zu wirken – die mich hören und die mich lesen, und vor allem auf mich selber. Ich fühle, daß ich in einemfort mich entwickle und daß ich noch sehr viel zu lernen und an mir zu formen habe. Man muß beständig auf seine innere Stimme horchen – man muß trachten, sein inneres Wesen von allen äußeren Hindernissen zu befreien –«
    »Man darf kein Kompromißmensch sein, willst Du sagen?«
    Die Unterhaltung wurde durch das Hinzukommen von Kolnos und Sylvia unterbrochen.
    Kolnos überbrachte die eben eingelangten Postsachen und setzte sich damit zu
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