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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder
Autoren: Bertha von Suttner
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Glücksschauer durchrieselte das junge Mädchen, dennoch hielt ihre Wehmut an, denn sie wußte ja doch, daß sie hoffnungslos liebte.
    Rudolf begann von seiner Mutter zu sprechen. Das war doch die Frage, die ihn jetzt am meisten erfüllte: würde das Übel überwunden werden oder nicht? Und das Bewußtsein, daß das Mädchen an seiner Seite von treuer Anhänglichkeit an die Kranke beseelt war, machte sie ihm lieb und wert – mehr noch als die Kenntnis ihrer Schwärmerei für ihn. Aber auch diese war ihm süß: geliebt von ihr – zum ersten Male, seit er Cajetane kannte, ergriff ihn dieser Gedanke mit einer dankbaren weichen Rührung. Er drückte ihren Arm an sich und blieb stehen.
    »Liebe Cajetane,« sagte er innig. Es war ihm ganz warm ums Herz.
    Aber nein: falsche Hoffnungen durfte er ihr nicht machen. Gewaltsam riß er sich aus der zärtlichen Stimmung heraus, und wieder weitergehend sagte er im veränderten Ton:
    »Wir müssen jetzt ins Haus zurück ... ich will noch einmal oben nachfragen. Und Sie? ... Bleiben Sie noch draußen?«
    Sie ließ seinen Arm los. »Ja, ich bleibe noch ... Gute Nacht.«
    »Also auf morgen.«
    Er schüttelte ihr die Hand und entfernte sich rasch.
    Cajetane wandte sich um und verlor sich in die dunklen Laubgänge. Der Violenduft war jetzt noch viel beredter als zuvor. Das kurze Erlebnis hatte die Stärke ihrer Gefühle verdoppelt: doppelt verliebt und – im Gegensatz zu der kurzen Seligkeit, die seine plötzliche Wärme erweckt und seine darauf folgende Kälte so schnell verscheuchte – doppelt unglücklich.
    Martha verbrachte eine gute, ruhige Nacht. Am folgenden Tag fühlte sie sich so gekräftigt, daß sie ausgehen wollte; das gab aber der Arzt nicht zu; sie durfte sich nicht anstrengen.
    Um zwei Uhr nahm sie am Mittagessen im Speisezimmer teil; das Mahl wurde begangen wie eine Genesungsfeier. Cajetane aber fehlte dabei; sie war am selben Mittag nach Raneggburg zu ihren Eltern zurückgekehrt.
    Als Rudolf von dieser Abreise erfuhr, war er unangenehm betroffen; doch die Freude über die sichtliche Besserung seiner geliebten Kranken ließ die Mißstimmung nicht aufkommen. Die Idee, nächste Tage in Ranneggsburg einen Besuch abzustatten, flog ihm durch den Sinn ... Er fragte: »Warum ist sie so plötzlich abgereist? Ist etwas geschehen?«
    »O, ihre Mutter begehrte schon lange nach ihr – sie sollte schon vor einigen Tagen fort und blieb nur wegen meiner Erkrankung ... und da ich jetzt wieder wohl bin – –« sagte Martha laut, leise fügte sie aber hinzu: »Sie flieht Dich.«
    Im Laufe des Nachmittags besuchte Rudolf seine Mutter auf ihrem Zimmer. Sie war allein.
    Wieder lag sie auf der Chaiselongue, denn es hatte sie plötzlich eine große Mattigkeit befallen und ein leiser Schmerz in der Herzgegend hatte sie daran gemahnt, daß der überstandene Anfall sich über kurz oder lang wiederholen könnte.
    »Nun, wie geht's rief Rudolf eintretend, in munterem Ton.
    »Ach, leidlich ... Schön, daß Du kommst – ich habe Dir viel zu sagen.«
    »Strenge Dich nur nicht an mit Reden.«
    Er schob einen anderen Sessel herbei und setzte sich seitlich zu Füßen der Chaiselongue.
    »Ich möchte sprechen,« begann Martha, »von dem, was nach meinem Tode –«
    »Nein, nein, das verbitte ich mir,« unterbrach Rudolf ungestüm. »Du bist wieder gesund – ans Sterben brauchst Du nicht zu denken – und ich will nichts davon hören.«
    Martha faltete die Hände.
    »Sei doch vernünftig!« bat sie. »Du kannst Dir nicht vorstellen, wie quälend mir jener Moment war, den ich für das Ende hielt – weil Du nicht an meiner Seite warst und ich Dir nicht alles sagen und von Dir nicht hören konnte, was wir zwei uns zum Abschied zu sagen hätten ... damit also solche Qual nicht wiederkomme, lasse uns die gegenwärtige Stunde benützen, in der Du bei mir bist und in der ich die Kraft habe, zu sprechen. Du wirst ja wieder von hier abreisen: auch Dir wird es eine Genugtuung sein – falls mir etwas geschieht – daß wir nicht auseinander gerissen worden, ohne uns gesagt zu haben, was zu sagen war. Also reden wir jetzt, als wäre es meine letzte Stunde ... es ist ja nur eine Fiktion ... der Schmerz fällt weg, aber die Feierlichkeit soll bleiben ... Wir sind doch zwei vernünftige Menschen, Rudolf – wir wissen, daß der Tod, wenn er einmal angeklopft hat, bald wirklich zu kommen pflegt ... schüttele nicht den Kopf – es ist so ... Und wir wissen auch, daß sein Kommen oder Wegbleiben nicht dadurch
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