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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder
Autoren: Bertha von Suttner
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Sterbelager hielt, wieder vor die Seele getreten ist, so deutlich und lebendig – so –«
    »Was war es?« fragte Rudolf, da Kolnos bewegt inne hielt.
    »Die Erinnerung an meine letzte tiefe Leidenschaft. Du sollst es wissen, Rudolf – ich habe Martha Tilling aus ganzer Seele geliebt.«
    »Du? ... Meine Mutter?« rief der junge Mann erschüttert. »Und sie?«
    »Sie? Ach, Du kennst sie ja: sie hat dem Toten die Treue gewahrt. Ich werde Dir einmal den Brief lesen lassen, worin sie das Angebot meiner Hand zurückgewiesen hat.«
    »Wann war denn das? Daß ich niemals eine Ahnung hatte ...«
    »In der Mitte der siebziger Jahre – sie war damals fünfunddreißig Jahre alt – in der Vollentfaltung ihrer Schönheit. Wir hatten eine Zeitlang korrespondiert anläßlich einer Gedichtsammlung, die ich veröffentlicht hatte und worin sie einige Strophen gegen den Krieg gefunden. Dann besuchte ich sie ... die Innigkeit des Kultus, den sie dem verlorenen, auf so tragische Weise verlorenen Gatten weihte, hielt mich davor zurück, meiner erwachenden Leidenschaft Ausdruck zu geben. Aber wir verstanden uns in vielen Dingen so gut ... stundenlang konnten wir miteinander sprechen über Gott und die Welt. Ich fühlte, wie in ihr Herz eine warme Freundschaft für mich einzog und da – nach einem weiteren Jahre – wagte ich, sie zu bitten, die Meine zu werden ... Ich hätte es nicht tun sollen – ich hätte verstehen sollen, daß ich Unmögliches wollte –«
    »Ja – ich kann es mir auch nicht vorstellen, daß meine Mutter ihrem – heute noch – Betrauerten jemals einen Nachfolger hätte geben können.«
    »Für mich war ihre Antwort – ihr sanftes, wehmütiges aber entschiedenes Nein ein harter Schlag. Damals unternahm ich meine erste große überseeische Reise, die mich drei Jahre von Europa fernhielt.
    »Und kamst geheilt zurück? Ja, Zeit und Abwesenheit sind souveräne Mittel gegen Liebesschmerz.«
    »Nicht immer,« versetzte Kolnos kopfschüttelnd. »Du siehst es an Deiner Mutter selber. »Ich habe Linderung gefunden. Meine Leidenschaft hat sich in Freundschaft verwandelt und jetzt – Na, jetzt sind wir ja beide alt – und die Freundschaft ist auf beiden Seiten echt und treu. Ich kann Dir nicht sagen, wie ich erschrak, als ihr so schlecht war ... sie zu verlieren, das Unglück wäre –«
    »Reden wir nicht davon,« unterbrach Rudolf. »Ich hoffe fest, daß sie wieder gesund wird.«
    Die beiden Männer blieben noch länger als eine Stunde im Gespräch; Rudolf erzählte von seinen jüngsten Unternehmungen und Erfahrungen und daran knüpfend, besprachen sie übereinstimmend des jungen Mannes weitere Aktionspläne.
    Es war zehn Uhr und Kolnos zog sich auf sein Zimmer zurück. Rudolf blieb noch eine Weile, in Gedanken versunken, auf der Terrasse sitzen. Dann stieg er die Treppe zum Garten hinab; er wollte noch einen kurzen Rundgang in den duftenden Laubgängen machen.
    Unterdessen war Cajetane Ranegg gleichfalls – von einer anderen Seite – in den Garten gekommen; die herrliche Nacht hatte sie herausgelockt. In ihrem Zimmer war sie von großer Unruhe gequält worden. Das Zusammentreffen mit dem so heftig geliebten Mann hatte sie aufs tiefste erschüttert. Wie sie ihn heute kennen gelernt – als liebevollen, um das Leben der Mutter so zärtlich besorgten Sohn – war er ihr noch teurer geworden. Morgen wollte sie abreisen ... Sie mußte ihn fliehen, wenn sie sich nicht verraten sollte. Vielleicht wußte er schon, wie es um sie stand. Die anonymen Briefe hatte er wohl durchschaut – und dennoch war er kalt geblieben; sie hatte also nichts zu hoffen und ihr Stolz verbot ihr, sich dem Verdacht auszusetzen, daß sie ihn doch zu erobern trachtete. – Also fort von Grumitz.
    Dieser Entschluß verursachte ihr Schmerz – aber sie war das ihrer Würde schuldig ... Der Violenduft der schönen Sommernacht erschien ihr wie der Ausdruck ihres Schmerzes. Gerade wie Musik dasselbe zu sagen scheint – nur in verstärktem Maße – was in der Stimme des bewegten Hörers liegt, so sprechen mitunter auch Düfte nach, was die Seele des Atmenden erfüllt: Sehnsucht, Zärtlichkeit, Trauer.
    Um die Biegung eines dunklen Weges stießen die beiden Lustwandelnden aneinander.
    »O, Cajetane – noch auf?«
    Ihr Herz schlug heftig.
    »Ja – ich ... – es ist eine so schöne Nacht ...«
    »Wundervoll ...«
    Er schob ihren Arm unter den seinen, als ob es ganz selbstverständlich war, daß sie nun miteinander weiter promenieren sollten. Ein
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