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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Helene Luise Köppel
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flackerte es wieder, es knisterte und duftete so angenehm wie altes, abgelagertes Apfelholz eben zu riechen pflegt. Schon Karl der Große, der einst die Grafschaft Raze gegründet hatte, hatte sich Apfelholz für sein Kaminfeuer ausbedungen, hat mir Bérenger einmal erzählt.
    Im Nu war es gemütlich warm geworden im Turmzimmer, und der Hund, der vorher unruhig auf und ab gelaufen war, legte sich vor den Kamin. Den schmalen, beinahe aristokratischen Kopf bettete er auf seine rechte Pfote, ein Auge hielt er geschlossen, das andere blinzelte wachsam in Bérengers Richtung. Er hatte seine Pflicht erfüllt, nun war die Marie an der Reihe.
    Die Zeit verrann. Ich fiel auf die Knie. Meine Gebete wurden heftiger, drängender. Bérenger sollte leben, musste ganz einfach leben.
    Sein Atem war jedoch kaum noch wahrnehmbar. Ich streichelte seine Wangen, auf denen die Spuren seines Lebens gezeichnet waren. Ich küsste seinen Mund, der so vieles für sich behalten hatte, was ich gerne hätte hören wollen. Mit seinen silberdurchzogenen dunklen Haaren war er noch immer ein schöner Mann.
    Wo blieben nur der Arzt und Antoine?

    Endlich hörte ich Pferdegetrappel und kurz darauf aufgeregte Männerstimmen. Die Tür flog auf, und schon kniete Dr. Guilleaume vor Bérenger, um ihn zu untersuchen. Lange, lange hörte er sein Herz ab, klopfte, lauschte. Dann sah er auf zu mir und schüttelte bedenklich den Kopf.
    „Ernst“, sagte er. „Es sieht ernst aus mit seinem Herzen. Es ist nicht sein erster Anfall gewesen, ganz bestimmt nicht. Hat er Ihnen nichts davon erzählt, Mademoiselle Marie? Haben Sie nichts bemerkt?“
    Ich schüttelte den Kopf. „Er fühlte sich nicht so recht wohl in letzter Zeit. Das stimmt schon. Aber ich habe ihn nie ernsthaft klagen hören!“
    Ein wenig regte sich in mir die leise Hoffnung, dass der Arzt nach meinem Einwurf seine soeben gestellte Diagnose auf der Stelle revidieren oder zumindest abmildern könnte.
    „Tja, er ist eben kein Jammerlappen, unser guter Abbé. Es ist jedoch stets ein Fehler, allzu tapfer zu sein. Vor einem Vierteljahr hätte ich ihm vielleicht noch helfen können, hätte ihm empfohlen, sich zu einem ruhigen Lebensabend in ein Heilbad am Meer zurückzuziehen, natürlich unter ständiger ärztlicher Betreuung ...“
    Als er diese Worte sagte, fuhr es mir eiskalt den Rücken hinunter. Hatte Bérenger nicht gerade das vorgehabt, nämlich ans Meer zu fahren, sich zu entspannen, Ruhe zu haben – bei ihr, bei Emma?
    „Aber irgend etwas muss es doch geben, womit Sie ihm helfen können!“ fragte ich voller Verzweiflung. „Irgendein Medikament, eine Spritze vielleicht ...“
    „Es tut mir leid, Mademoiselle Marie. Alles, was ich tun kann, ist, ein wenig seine Schmerzen zu lindern und ihm vielleicht einen kleinen Aufschub zu verschaffen.“
    „Einen Aufschub? Wofür?“
    „Für den Tod, Mademoiselle, einen Aufschub vom Tod.“
    Der Arzt kam auf mich zu und nahm mich in seinen Arm.
    „Er wird sterben. Das Herz ist schwer geschädigt.“

48
    „Holla! Steh! Charon, Charon, Höllenschiffer du! ...“
    Charon , Magny

    Abbé Rivière aus Esperaza wurde heraufgebeten. Er sollte Bérenger die Beichte abnehmen und die letzte Ölung verabreichen. Zwei Stunden nachdem ihm Dr. Guilleaume eine Spritze gegeben hatte, war Bérenger erwacht, und es ging ihm leidlich gut. Dennoch wusste er um seinen bevorstehenden Tod, und es war keine Spur mehr von Feigheit, von Lüge oder Heuchelei in seinem Wesen auszumachen.
    „Marie, mach nicht so ein Gesicht. Jetzt endlich geht dein Wunsch in Erfüllung. Du wirst mich bis zum Tod bei dir behalten, nicht wahr?“
    Ich nickte und heulte. In seinen Worten lag kein Zynismus, im Gegenteil: Er sprach sanft, voller Wärme und Verständnis für meine Untat. Auch als ich ihm gestand, den Brief an Emma entwendet und unterschlagen zu haben, verzieh er mir sofort.
    „Es hat keine Bedeutung mehr, Marie. Mach dir also keine unnötigen Gedanken. Wenn ich nicht mehr bin, dann schreib ihr ein paar freundliche Zeilen. Leg ihr den Ovid und meine goldene Uhr bei, damit sie ein Andenken hat. Sag ihr, dass es mir nicht mehr möglich war, zu ihr zu kommen.“
    „Willst du mir einen Brief an sie diktieren?“ fragte ich, nun ebenfalls völlig selbstlos vor Traurigkeit.
    „Nein, ich verlasse mich auf dich, wie ich das immer getan habe, kleine Marinette! Du wirst es schon richtig machen“, antwortete er, und kurz huschte das gewohnte, jungenhafte Grinsen über sein Gesicht, das ich
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