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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Helene Luise Köppel
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sagt Ihr da, Bruder? ... Der Leib unseres Herrn hier in Rennes? Blasphemie! Ihr seid das falsche Lamm, das mit der Stimme Satans spricht!“ stieß er hervor und fuchtelte dabei mit den Armen in der Luft herum.
    Ach, wie gut konnte ich ihn verstehen! Auch mir war seinerzeit das Herz stehengeblieben, als ich heimlich im Sakristeischrank saß und diese schier unglaubliche Geschichte vernahm.
    „Jetzt beruhigt Euch erst einmal, lieber Freund“, sagte Bérenger ganz gelassen. „Ich weiß, wie schockierend diese Offenbarung sein muss für einen der Tradition verhafteten Theologen, wie Ihr es seid. Ihr braucht dennoch nicht in Panik zu verfallen. Viele Eurer Kollegen sehen seit langem in Jesus eher eine historische Gestalt. Die Wahrheit ist auf irgendeine Weise immer mit der Geschichte verbunden, sie ist nicht irgendwann vom Himmel herabgefallen und zu einem Dogma geworden! Setzt Euch also wieder zu mir, lockert ein wenig Euren Kragen, und hört dann, was ich weiter zu sagen habe.“
    Der Abbé setzte sich tatsächlich, aber ich konnte beobachten, dass seine Hände stark zitterten.
    „Gut – bleiben wir also ganz ruhig, nicht wahr, Bruder? Ganz ruhig und gelassen“, sagte Bérenger leise. „Nicht nur ich, mein Freund, sondern ein Dutzend anderer Leute, darunter anerkannte Priester und Gelehrte, sind sich so gut wie sicher, dass Jesus damals nicht in dieser Weise auferstanden ist, wie es unsere Heilige Mutter Kirche seit fast zwei Jahrtausenden lehrt, und dass er auch nicht – zumindest nicht seinerzeit und nicht körperlich – aufgefahren ist in den Himmel. Nein, die Geschichte war damals wohl ziemlich profan. Man hat ihn ans Kreuz geschlagen, das stimmt. Der Koran hat unrecht, wenn er etwas anderes behauptet. Jesus jedoch hat den nahenden Tod auf seine Weise besiegt. Seine Freunde, Lazarus und natürlich Josef von Arimathäa – vielleicht waren die beiden auch verwandt mit ihm - haben ihn, als sie merkten, dass noch Leben in ihm ist, wieder herausgeschleppt aus dem Grab, noch in der Nacht, bei vollem Mond, am Sabbat. Eigentlich undenkbar, waren sie doch Juden. Der Sabbat hätte ihnen heilig sein müssen. Doch Jesus hatte sie anderes gelehrt. Auf einem der alten Pergamente, die ich fand, stand die Geschichte mit dem Ährenraufen, Lukas 6, 1-5, Ihr kennt sie, Bruder. – Dort heißt es: Und er sprach zu ihnen: Des Menschen Sohn ist ein Herr auch über den Sabbat.
    Nach seiner Genesung - so ein weiteres Pergament - ist er mit seiner Frau Maria Magdalena, oder richtiger ´Maria aus Magdala` – o schaut doch nicht so entgeistert, Rivière, natürlich war sie sein Weib! Er war ja ein Rabbi, und demzufolge hatte er auch eine Frau und sicher auch Kinder. Die Rabbinen waren alle verheiratet, noch heute ist es so. Die Mischna, das jüdische Gesetz, schreibt es sogar zwingend vor. Also, dass ausgerechnet sie die erste war, die ihn am Ostersonntag zu Gesicht bekommen hat, verwundert nun niemanden mehr. Nach seiner völligen Gesundung sind die beiden – wohl mit Josef von Arimathäa und Lazarus, den sie ja auch töten wollten, wie Johannes schreibt – nach Galiläa gezogen und von dort über das Meer gefahren, in den Süden unseres Landes, wo sie ihre letzten Jahre verbracht haben. Im Jahr 45 soll Jesus dann – wie auch immer – hier gestorben sein.“
    Bérenger atmete befreit auf. Dann meinte er: „Es ist nicht leicht für Euch, Bruder, gewiss. Doch lest aufmerksam die ´ Legenda aurea ` des Jacobus de Voraigne, oder besorgt Euch die Schriften des Erzbischofs Hrabanus Maurus, der um das Jahr 800 gelebt hat und über das Leben der Maria Magdalena Interessantes zu berichten wusste. Wenn Ihr erst einmal länger nachgedacht habt, werdet auch Ihr erkennen, dass das, was mit Jesu Leib tatsächlich geschehen ist, im Grunde nicht relevant ist. Er selbst hat ja das Opfer abgeschafft, ist es nicht so gewesen? Die Güte, die Liebe und vor allem die Gnade Gottes ist es, Rivière, von der uns Jesus erzählt hat. Und das sollten wir Priester weitergeben, denn das ist unser eigentlicher Schatz, nicht das Kreuzesopfer.“
    Rivière schüttelte wortlos das Haupt. Doch Bérenger fuhr unbeirrt fort:
    „So, das war der erste Teil meiner Geschichte. Der zweite Teil hat mit den Ketzern zu tun, die im Mittelalter im Süden Frankreichs, also mitten unter uns, wie Pilze aus dem Boden schossen, auch anderswo natürlich, zum Beispiel in der Lombardei und in Deutschland. Von den Katharern werdet Ihr ja schon einmal gelesen haben, nicht
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