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Mariana

Mariana

Titel: Mariana
Autoren: Monica Dickens
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wie die einer Ratte an, und seine Beinchen waren nicht mehr stämmig, sondern spindeldürr, wie bei einem rachitischen Kind.
    Frierend standen sie unter einem Baum und warteten. Es schien Stunden zu dauern, bis die verschwommenen Lichter der Scheinwerfer endlich hinter der Regenwand in der Morgendämmerung auftauchten. Mary trat ein paar Schritte vor. Sie konnte den Fahrer nicht sehen, aber er sah sie und hielt. Mit Bingo unter dem Arm kletterte sie hinten in den kleinen, gelben Bus. Es saßen nicht viele Leute drin, aber die Luft war zum Schneiden dick vom Dunst der nassen Kleidung und Regenmäntel, und die Fenster waren beschlagen. Mary wischte über die Scheibe, aber sie konnte nichts sehen. Es war noch nicht richtig hell draußen, und der Regen prasselte gegen das Fenster.
    Immer wieder spähte sie hinaus und versuchte festzustellen, wo sie waren. Sie mußten doch schon mehr als die Hälfte der Strecke zurückgelegt haben; dieser helle Fleck da konnte doch nicht erst die kleine Teestube gewesen sein? Das war bestimmt der langsamste Bus, den es gab.
    Beeil dich, Bus, beeil dich. Ich warte schon die ganze Nacht. Viel länger kann ich nicht mehr warten.
    Als der Bus an der Red Lion Corner in Weatherby hielt, mußte sie warten, bis der Fahrer von seinem Sitz kletterte und ins Wageninnere kam, um zu kassieren. Sein Gesicht war rot, und kleine Rinnsale liefen an seinem Regencape herab. Mary riß ihm den Fahrschein aus der Hand, zitterte vor Aufregung, weil eine dicke Frau vor ihr so viel Zeit zum Aussteigen brauchte, trat ihr fast auf die Hacken und rannte dann die Dorfstraße hinunter. Ihre langen Hosen klebten ihr vor Nässe an den Beinen.
    Die Post war geöffnet. Ein schwacher Lichtschein fiel durchs Fenster auf das nasse Pflaster. Mary stürzte hinein, und da saß Mrs. Munday, die das Pulver nicht gerade erfunden hatte, hinter dem mit Draht vergitterten Fensterchen und versuchte, einige Zahlen zu addieren.
    «Ich möchte ein Gespräch nach London», sagte Mary atemlos und lehnte sich gegen den Schalter.
    «— — —und sieben iss neunundvierzig und sechzehn iss fünfundsechzig, macht drei Pfund und 5 Schilling», brabbelte Mrs. Munday und hielt den Finger auf die Zahl, während sie über ihre zu kleine Brille hinweg zu Mary aufsah.
    «Ach du meine Güte, Sie sind aber ganz schön naß, was, Mrs. Howard?»
    «Ja. Bitte, ich möchte ein Gespräch nach London, Mrs. Munday. Ich hab’s sehr eilig.» Wie schrecklich, wenn sie jetzt vor Ungeduld anfangen würde zu weinen. Bitte, Mrs. Munday, schnell, schnell, schnell! Am liebsten möchte ich sie jetzt an ihrem dürren Hals packen und so lange schütteln, bis ihre Zähne durcheinanderfallen.
    «Ihre Leitung nach L’il Creek End iss gestört», teilte Mrs. Munday ihr mit.
    «Ja, das weiß ich. Darum will ich ja von hier aus telefonieren. Bitte sagen Sie Ethel, sie möchte mich schnell verbinden. Primrose 14892.»
    Mrs. Munday drehte sich gemächlich auf ihrem Stuhl herum. «Ethel, mein Schatz», ihre Stimme überschlug sich bei dem Versuch, lauter zu sprechen, damit Ethel sie durch die offene Tür hindurch am Klappenschrank hören konnte, «kannst du London kriegen für Mrs. Howard?»
    «Mrs. Howard ist da?» fragte Ethel in aller Gemütsruhe zurück. Ihre Stimme klang, als ob sie Stockschnupfen habe. «Sag ihr, daß ihre Leitung kaputt ist», fügte sie in gekränktem Tonfall hinzu.
    «Ach ja, richtig.» Mrs. Munday wandte sich langsam wieder um. «Die arme Ethel hat gestern vielleicht was erlebt. Da war ein Anruf für Sie, der kam immer und immer wieder.»
    «Ein Anruf für mich?» Marys Herz blieb einen Moment stehen, dann fing es an zu rasen, es hämmerte derartig, daß sie kaum sprechen konnte. «Aus London?» Angela hatte bestimmt die Nachrichten gehört und war sofort zu ihr nach Haus gefahren. «Um wieviel Uhr war das? Wurde etwas—?»
    «Keine Ahnung.» Mrs. Munday war bereits wieder in ihre Zahlenreihe vertieft. «Ich weiß bloß, daß Ethel gesagt hat, sie kann nicht verbinden, und das wollte man ihr einfach nicht glauben. War direkt eine Frechheit. Die Ärmste war ganz außer sich. Stimmt’s Ethel?»
    «Und ob, Mama. So wie der sich aufgeführt hat, hätt’ man denken können, daß ich schuld daran bin. hat er dauernd gesagt. Und ich hab gesagt, ja, aber —»
    «— und sechs macht drei Pfund elf Schillinge —»

    Bingo nieste, und als er sich nach Herzenslust schüttelte, machten seine Krallen auf dem Linoleum ein Geräusch, als ob
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