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Mariana

Mariana

Titel: Mariana
Autoren: Monica Dickens
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Shannon, die sie zunächst ernst nahm, unternahm einige vergebliche Versuche, sie zu versöhnen. Schließlich gab sie es auf, und sie verließen die alte Dame, die sich die größte Mühe gab, in Ohnmacht zu fallen.
    Das schönste Telegramm, das Mary an ihrem Hochzeitstag bekam, war von Onkel Geoffrey aus Amerika. «Viel Glück», stand darin, «ist er nett stop, wenn nicht komme ich rüber und kleb ihm eine stop warum besucht ihr uns nicht stop Appartement ist prima und René nicht übel stop Lucienne läßt grüßen auf ewig dein Onkel Geoff.»
    Mary wünschte, er wäre hier und könnte sie zum Altar führen, aber er war so beschäftigt, saß er nicht abkommen konnte. Einen englischen Vater zu haben, verlieh der Heldin eines Stückes einen entsprechenden Hintergrund, und Onkel Geoffrey — mit Monokel und schneeweißem Haar — war wieder sehr gefragt.
    Marys Mutter brauste wie ein Wirbelsturm durchs Zimmer, brachte alles durcheinander und verbreitete Unruhe und Nervosität.
    «Mary, du willst doch nicht etwa dieses gräßliche, alte Ding mitnehmen?» Sie riß aus Marys Koffer den räudigen Teddybären heraus, der keine Augen mehr hatte und auch nicht mehr brummte, seit Onkel Geoffrey ihn eines Tages in Clifford Court aus dem Fenster geworfen hatte, weil er einen Polizisten damit treffen wollte. «Sam würde dich für verrückt halten», sagte sie. «Hör mal, ich kann meinen Kamm nirgends finden, mein Zimmer ist vollgestopft mit Hochzeitsgeschenken. Kann ich deinen nehmen? Wo ist er? Ach ja, hier. Oh, entschuldige, jetzt habe ich deine Parfümflasche umgestoßen. Nein, sie ist nicht kaputt. Ach, und Puder habe ich auch verschüttet. Na, macht nichts.» Sie lachte und schoß aus dem Zimmer: «Doris, Doris, haben Sie meine Handschuhe gesehen? Ich habe keine Ahnung, wo ich —»
    «Die ist mit den Nerven vollkommen fertig», sagte Doris und blieb mit offenem Mund in der Tür stehen, um Mary in ihrer hocheleganten Unterwäsche zu bewundern. «Man könnte denken, sie wär die Braut. Als unsere Nelly heiratete, da wurde ihr plötzlich ganz komisch», fügte sie stolz hinzu, «wir mußten ihr literweise Tee einflößen, bevor wir sie überhaupt zur Kirche kriegten.»
    «Das kam vielleicht von den Sardinen», murmelte Mary. «Seien Sie so gut und holen Sie mir mein Kleid, Doris. Es liegt auf dem Bett im Fremdenzimmer.»
    Endlich war es soweit. Fertig angezogen, das Gesicht hübsch zurechtgemacht, mit einer Frisur von M. Louis, der in knallgelben Schuhen und mit einer kleinen, schwarzen Tasche erschienen war, stand Mary vor dem langen Spiegel und betrachtete sich ernsthaft.
    Sie war allein in ihrem Schlafzimmer. Ihre Mutter und Doris waren schon zur Kirche vorausgefahren. Mrs. Shannon in einem zweiteiligen, tomatenroten Kleid mit Orchideen und einem kleinen Strohhut, der wie eine Untertasse aussah, Doris in ihrem dunkelblauen Kostüm mit einem Hut, auf dem Früchte wuchsen. Es hatte viel Türenschlagen gegeben, vergessene Taschentücher wurden geholt, und dann waren sie fort. In wenigen Augenblicken mußte Mary hinuntergehen zu ihrem Großvater, der sich im Eßzimmer bei einem Glas Milch mit Cognac stärkte.
    Sie trug das Kleid, das sie im Krankenhaus entworfen und von dem Sam gesagt hatte, daß sie es einmal tragen müsse. Es war aus pergamentartigem, stumpfen Satin mit herzförmigem Ausschnitt und einem spitz zulaufenden Mieder, das ihre Figur eng umschloß, bevor es in den weiten, weichfallenden Rock überging, der in einer Schleppe endete, die jetzt zusammengerollt zu ihren Füßen lag. Auf dem Kopf, ziemlich weit vorn, saß eine kleine Krone aus Gardenien, und unter dem duftigen Schleier fiel ihr lockiges Haar offen herab. Im Arm hielt sie ebenfalls Gardenien, die einen betäubenden Duft ausströmten.
    «Du mußt schon entschuldigen, Sam», dachte sie und bückte sich, um ihre Schleppe hochzunehmen, «aber nach der Hochzeit bin ich wieder ganz Mary.»
    Großpapa hatte ein neues Auto. Für die Familie war es das Ereignis des Jahres. Linney, der mit allen Tücken seines alten Lancia so vertraut gewesen war wie mit den Krampfadern seiner Frau, war nicht ganz glücklich mit ihm. Er mißtraute seiner Vollkommenheit und fuhr ihn so vorsichtig, als ob er es mit einer hochexplosiven Bombe zu tun hätte.
    Jetzt stand er neben dem Wagen, sein Knopfloch schmückte eine große, weiße Blume, und in seinem breit grinsenden Mund hätte noch immer eine Scheibe Wassermelone Platz gehabt. Mary und ihr Großvater traten aus der Tür
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