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Mariana

Mariana

Titel: Mariana
Autoren: Monica Dickens
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Was er wohl gesagt haben würde, wenn sie ihm von seinem zerknitterten Taschentuch in ihrer Kommode erzählt hätte, das sie beim Packen gefunden und für Sam gewaschen und gebügelt hatte.
    Sam, wie er sie in seiner kurzen Ansprache nach dem Toast «meine Frau» genannt hatte. t
    Sams Trauzeuge, sein Freund Nobby, der sich bis über beide Ohren in Angela verliebt hatte, die zum erstenmal in einem Theater im Londoner Westend auftrat und sich in ihrem Erfolg sonnte.
    Tante Fanny, die wie ein begossener Pudel zwischen den Gästen herumgeschlichen war.
    Gerald, dessen Anzug so eng war, als habe er ihn schon als junger Mann zu seiner eigenen Hochzeit getragen, und der ängstlich vermied, irgendwelche Besitzerrechte in bezug auf ihre Mutter geltend zu machen.
    Tante Winifred, deren Unterrock hinten drei Zentimeter vorguckte, und die Sam ein Lächeln schenkte, wie es Mary noch nie an ihr gesehen hatte.
    Eine vollkommen fremde Frau, die ihr überall nachlief und versuchte, Blumen aus ihrem Brautstrauß zu mausen.
    Sie selbst — wie sie in dem altmodischen Zimmer bei , in dem sich seit einem halben Jahrhundert alle Bräute umkleideten, plötzlich merkte, daß sie zuviel Champagner getrunken hatte.
    Sams Vater, der einen Schwips hatte und auf seinen langen Beinen unsicher hin- und herschwankte, dessen spöttischer Blick aber glasklar war.
    Sams Schwester, die zu ihr gesagt hatte: «Wir wollen uns oft sehen, wir werden bestimmt die dicksten Freunde werden», und sie dabei durchdringend anstarrte, ob sie nicht doch irgendeinen Fehler an ihr entdecken könne.
    Zu guter Letzt erinnerte sie sich an Linney, der ihr auf dem Flugplatz in Croydon die Hand schüttelte und sagte: «Viel Glück, Miß — äh Madam. Verheiratetsein ist eine gute Sache, eine sehr gute Sache.»

    Alle hatten gesagt: «Im August nach Venedig! Meine Liebe, du bist ja verrückt. Die Hitze hältst du niemals aus — und den Gestank auch nicht.»
    Ja, es war heiß, aber wenn man den ganzen Tag nichts anderes tat, als in einer Gondel umherzufahren, was machte es einem dann schon aus? Mary wurde etwas blasser, und Sam zog sich sechsmal am Tag ein frisches Hemd an, das war alles. Mary konnte sich später nicht erinnern, daß es schlecht gerochen hätte. Sie erinnerte sich vor allem an eins, an die Entdeckung, daß zwei Menschen vollkommen übereinstimmen konnten. War sie mit Sam zusammen, so war es, als sei sie allein, aber nicht éinsam. Sie erinnerte sich, wie er eines Abends, als sie auf einer Terrasse am Wasser aßen und ein leichter, heißer Wind am Tischtuch und an der Markise zupfte, einmal gesagt hatte: «Wird es dir denn nicht langweilig, daß wir nie streiten? In Büchern führen Mann und Frau doch die tollsten Diskussionen über Ethik, über Walt Whitman oder über Barockbauten, sie hocken stundenlang auf dem Fußboden, statt die Zeit viel besser im Bett zu verbringen. Wenn der Kellner da drüben — der, der immer bemüht ist, schwarze Feigen für dich aufzutreiben — ein Buch über uns schreiben würde, das würde niemand lesen. Die Leute interessieren sich nicht für glückliche Menschen. Sie ergötzen sich lieber an dem Schicksal der unglücklichen.»
    Er versuchte sie von ihrer törichten Schwäche, immer gleich in Tränen auszubrechen, zu kurieren. Für jeden Monat, in dem sie nicht weinen würde, versprach er ihr ein Pfund. Aber länger als eine Woche war es ihr bisher noch nie gelungen, ihre Tränenschleusen geschlossen zu halten. Und so mußte sie es immer wieder von neuem versuchen. Eines Nachts, als sie in der drückenden Hitze wach lag, drangen Laute an ihr Ohr, die allmählich näherkamen. Sie schlüpfte aus dem Bett und ging zum Fenster. Die nackten Arme auf den tiefen Fenstersims gestützt, sah sie hinaus. Eine einsame Gondel trieb auf dem vom Mondlicht erhellten Canale Grande dahin. Vorn saß ein Mann, der Geige spielte. Töne von überirdischer Süßigkeit stiegen empor, während die Gondel wie ein sterbender Schwan zwischen den schweigenden Palästen davonglitt.
    «In Italien wirst du nie zu dem Geld kommen, wenn du über alles Schöne zu weinen anfängst», sagte Sam, der plötzlich neben ihr stand. Er legte seinen Arm um sie, und an die steinerne Brüstung gelehnt, blickten sie zusammen in die unwirkliche Nacht hinaus.

    Von Venedig aus fuhren sie auf einem kleinen, weißen Schiff die Adria hinunter und weiter zum Golf von Neapel — genossen eine Woche lang den Sonnenschein und das unvorstellbar leuchtende Blau von
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