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Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Titel: Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte
Autoren: Nicole Joens
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eisiges, unbekanntes Universum geschleudert, in dem sie in den letzten zehn Monaten ununterbrochen im Einsatz war. Oft war sie sich mit den Kindern vorgekommen wie ein Feuerwehrmann, der im Alleingang ein brennendes Hochhaus löschen muss, während unter ihm alles zusammenbricht.
    Traumatisiert sei sie, hatte ihr Ex gesagt, bevor er ihr in Dresden vor sieben Monaten die gepackten Koffer vor die Tür gestellt hat. Das Leben mit dem verstummten Bene, der ständig heulenden Anna-Sophie und der vor Unsicherheit nur noch zänkischen Miriam war in der kleinen Dresdner Wohnung unerträglich geworden. Miriam weiß jetzt, dass er recht hatte. Vielleicht hätte sie eine Therapie gebraucht, denn sie hatte die ersten Monate nach Carolas Tod nur noch um sich geschlagen. Ihre ältere Schwester war diejenige, die immer wusste, wo es langgeht. Blind hatte Miriam ihr vertraut. Ihr Inneres war ohne Carola verloren. Wie amputiert fühlte sie sich, so als hätte der Tod auch bei Miriam ein wichtiges Stück ihres Herzens herausgeschnitten. Die Apfelbäume in ihrem inneren Garten, die Leichtigkeit, die Sicherheit und den Frieden, all das hatte Carola mitgenommen. Bestimmt hatte Miriams Ex recht, als er versuchte, sie zu allen möglichen Therapien zu überreden. Aber sie war trotzig und auch überzeugt davon, dass Wut und Trauer notwendig sind, um Abschied von dem wichtigsten Menschen in ihrem Leben zu nehmen. Vielleicht war es auch ihre bereits beginnende Schwangerschaft, die sie plötzlich so eigen werden ließ. Miriam wollte nur noch mit den Kindern zusammen sein, mit ihnen in einem Bett schlafen und sie in ihren Armen halten, bis der Albtraum endlich vorbei war, den sie nicht wirklich benennen konnte. Ihre Realität hatte ganz einfach einen Riss bekommen. An manchen Tagen wachte sie mit dem Gedanken auf, dass Carola sicher die Tür aufmachen würde. Sie würde vor ihr stehen und lachend sagen, dass alles nur ein Spaß war und Miriam jetzt wieder aufwachen dürfte. Es konnte einfach nicht wahr sein. Carola durfte Miriam und die Kinder nicht verlassen, nicht auf diese grausame Weise. Dann hatte sich in Miriam viele schaflose Nächte lang, während sie weinende Kinder tröstete und selber kaum Ruhe fand, ein neuer Gedanke breitgemacht. Sie hatte in einer Art manischen Besessenheit das Gute in diesem Unfall gesucht. Vielleicht musste jetzt, nach neununddreißig Jahren auf der Reservebank, endlich Miriams echtes Leben beginnen? Aber warum ging dann immerzu alles schief?
    »Was machen wir jetzt?«
    Anna-Sophies Hand schiebt sich kalt und klebrig vom Senf in die von Miriam, während die Kleine sich an Miriams wogenden Babybauch schmiegt.
    »Meiner Papagena ist kalt und dem Baby sicher auch!«
    Mit einem Lächeln, nicht im Geringsten von Angst verformt, legt die Sechsjährige die Hand ihrer zerschlissenen alten Puppe jetzt auch noch auf Miriams enorme Kugel.
    »Bewegt es sich wieder?«
    Miriam nickt. Reden kann sie gerade nicht. Zu viel Trauer kommt in ihr hoch. So viel Hoffung und Zärtlichkeit sieht sie in den Augen ihrer kleinen Nichte. Anna-Sophies Augen erinnern sie sehr an die Augen ihrer Schwester.
    »Vor Weihnachten ist es bei uns, das hast du gesagt!«
    Viele weitere Sätze über das Baby und die möglichen Namen für das Baby sprudeln aus Anna-Sophie heraus. Mit den anderen Geschenken soll das Baby unter dem Weihnachtsbaum liegen, gleich neben Anna-Sophies neuem Puppenhaus.
    »Bekomme ich mein Puppenhaus? Du hast es versprochen!«
    »Lass den Quatsch!«
    Benes Stimme ist schneidend, als er seiner Schwester erklärt, dass sie sich ganz bestimmt kein Puppenhaus leisten können und sie aufhören soll, Tante Miriam deswegen zu nerven. Wütend geht Anna-Sophie auf ihren Bruder los, während Miriam einen kurzen Moment die Augen schließt. Sie kann den Gedanken daran nicht aushalten, was in nur wenigen Tagen unweigerlich geschehen wird. Früher oder später wird ihr klappriges Kartenhaus in sich zusammenfallen. Sie wird Anna-Sophie und Bene Lebewohl sagen müssen, wenn nicht sehr bald ein Wunder geschieht. Ja, dieses Wunder heißt nun einmal Geld! An das andere Wunder, nämlich einen guten Mann, der sie und die Kinder in seine Arme schließt, für immer liebt und beschützt, an so ein Wunder wagt sie noch nicht einmal zu denken.
    Schmerzhaft erinnert Miriam das Weihnachtsgedudel aus den Marktbuden daran, dass ihre Lage in dieser reichen Stadt so ganz und gar aussichtslos ist. Die Münchner ticken anders, wie sie bereits in Benes Gymnasium
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