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Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Titel: Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte
Autoren: Nicole Joens
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ankommenden Pferdeschlitten ankündigen, holt das kleine Mädchen zum ersten Mal Luft und verkündet ihr Erdendasein mit einem vitalen Schrei. In Miriams Ohren klingt es wie eine Weihnachtsmelodie.

SECHZEHNTES KAPITEL

    MORGENLAND ZWEI
    Es ist ungewöhnlich warm für den Dreikönigstag. Das tiefe Blau des Himmels mit den vereinzelten Bilderbuchwolken über dem Kirchturm ist die perfekte Kulisse für Miriams letztes Treffen mit dem Cowboy, bevor sie abfahren werden. Sie wartet mit dem Baby auf der Kirchenmauer auf ihn, während die Kinder drinnen mit Joes Eltern ihren letzten Gottesdienst feiern. Die Kleine schläft ruhig an ihrer Brust, und Miriam genießt die wärmenden Sonnenstrahlen, während sie die letzten beiden Wochen vor ihrem inneren Auge Revue passieren lässt. Seit Esthers Geburt an Santa Lucia war Joe krank, oder er ist ihr aus dem Weg gegangen. Sie kann nur ahnen, warum, denn er wollte keine ihrer Fragen richtig beantworten. Die dramatische Nacht hat er dank Bene überlebt, aber eine Todeskälte hatte schon länger Einzug in seine Seele gehalten, wie Miriam von seiner Mutter am Weihnachtsabend erfahren hat. Sie mussten ohne ihn feiern. Der Cowboy hatte sich eine schlimme Bronchitis geholt und musste deswegen im Bett bleiben. Aber vorher hatte er noch die schönsten Geschenke für Bene und Anna-Sophie unter den Weihnachtsbaum gezaubert. Eine Gitarre für Bene und das wunderbarste Puppenhaus der Welt, wie Anna-Sophie bei der Christmette stolz verkündet hat. Das bayerische Puppenhaus, das ehemals Sigrun gehört hatte, war eine echte Antiquität.
    Zu Neujahr hatte es weitere kryptische Andeutungen seiner Mutter gegeben, als Joe nicht mit ihnen ins Freie zum Böllern konnte, weil er immer noch fieberte. Über das alte Unglück würde Joe nie hinwegkommen. Ja, Joe hatte in der Nacht von Santa Lucia sterben wollen. Miriam konnte es in seinen Augen sehen, als er in eine Decke gewickelt in ihr Zimmer kam, um das Neugeborene anzusehen und ihrer Tochter diesen wunderschönen Namen zu geben. Mit zitternder Hand hatte er die Kleine an der Wange berührt und etwas von einem Heiligenschein gemurmelt, den er über dem Kopf seiner Esther sehen würde. Seine Esther, hatte der Cowboy gesagt. Es klang in Miriams Ohren wie ein Versprechen, wird aber wohl nie eingelöst werden, wie die Mutter Miriam versichert hatte. Joe sei gar nicht fähig zu solch einer menschlichen Bindung. Auch deswegen steht Miriams Abreise mit den Kindern jetzt unmittelbar bevor. Sie hat sich geschworen, ihre Enttäuschung nicht zu zeigen, wenn sie sich gleich von dem Cowboy verabschiedet, aber es fällt ihr schwer. Sie hatte sich verliebt und wieder einmal in kindischen Prinzessinnenträumen ausgemalt, dass der Cowboy derjenige sein würde, der ihr vorherbestimmt ist. So viele Zeichen hatten darauf hingedeutet. Am Tag nach Santa Lucia fühlte sich der Cowboy noch einigermaßen gesund und hatte mit Bene zusammen seine Molly aus dem Schnee gegraben. Dabei hatte er dem Jungen einen alten Ring seiner Familie gezeigt, den er Miriam zu Weihnachten schenken wollte. Er hatte Bene gefragt, wie es wäre, wenn sie alle eine Familie werden würden. Doch dann verging der Abend, ohne dass der Cowboy an ihre Zimmertür geklopft hat. In derselben Nacht hatte Miriam einen Traum.
    Eine junge Frau mit großen Augen, weichen dunklen Locken und einem Lächeln, das Miriam an ihre Mutter Hannah erinnert, steht in der Abenddämmerung an der Bergstraße oberhalb des Stadlerhofes im Schnee. Gekleidet in einen altmodischen Wintermantel in einem warmen Kastanienbraun mit einem Bubikragen, wie er in den Dreißigerjahren modern war, wartet sie an der winzigen Bushaltestelle. Der Mantel spannt über dem gewölbten Schwangerschaftsbauch, und ihre Schuhe sind zu zart für das eisige Wetter. Neben ihr im Schnee steht ein abgeschabter Koffer, den sie erleichtert aufhebt, als sie die Lichter des Busses kommen sieht. Doch dann beginnt ihre Hand am Griff unkontrolliert zu zittern. Der Bus, der sich schwerfällig die schmale Bergstraße hinaufschraubt, wird von einem hupenden Militärfahrzeug an die Seite gedrängt und muss anhalten. Die junge Frau lässt in Panik ihren Koffer fallen. Sie stolpert durch den Schnee und versucht, in den Wald zu fliehen, aber die vier Männer in Uniform folgen ihr.
    Miriam war in der Nacht aus dem Traum aufgeschreckt, weil ihr Baby begonnen hatte zu weinen. Ihre Hand hat so sehr gezittert, dass sie ihr Neugeborenes kaum anfassen konnte. Sie hat sich
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