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Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Titel: Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte
Autoren: Nicole Joens
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der Frau erinnert Anna-Sophie an ihre Mutter oder auch an Tante Miriam. Die Tanzende ist ihr auf eine so warme Art vertraut, dass sie wider Willen lächeln muss.
    Vor der Scheune steht Magdalena und beobachtet stumm die Tänzerin im fallenden Weiß der Flocken. Sie denkt an ihre Schwester Rosemarie. Zwölf Jahre ist es jetzt her, dass Rosemarie mit dem Kind starb. Die Wunde konnte weder bei Joe noch bei Magdalena heilen, weil es nie um Rosemarie und das Baby gegangen war. Nicht Joe wurde von Gott oder dem Schicksal bestraft, weil er etwas Unrechtes getan hatte, sondern eine der beiden Schwestern musste gehen. Ihre Familie hatte einen alten Preis zu bezahlen. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Dieser Preis muss wohl auch jetzt wieder bezahlt werden, an Santa Lucia, zwölf Jahre später. Magdalena ist dankbar, dass der Todesengel nicht an ihre eigene Tür klopft oder an die Tür ihrer Kinder, auch wenn es womöglich gerechter wäre. Magdalena kennt den Grund. Sie hat lange in den Familiengeheimnissen geforscht, intensiver und fordernder als Rosemarie. Sie kennt daher nicht nur die großen, sondern auch die kleinen schauderhaften Geschichten, die sich im Krieg in diesem Tal abspielten. So wie das, was an Santa Lucia draußen auf der Bergkuppe geschah. Magdalena kennt das tanzende schwangere Mädchen in dem altmodischen Wintermantel auf dem Hof. Sie heißt Esther. Die Männer aus dem Dorf hatten sich grausam an der vogelfreien Jüdin vergangen und sie dann umgebracht. Die Frauen des Dorfes hatten Esther nach dem Krieg das Marterl gestiftet, unter ihnen die Mutter von Magdalena und Rosemarie, damals noch ein junges Mädchen. Es geschah nicht aus Mitgefühl, sondern aus reiner Furcht. In der Nacht nach Esthers Ermordung hatte ein schrecklicher Sturm das Dorf verwüstet. Dächer wurden abgedeckt, der Blitz schlug in den Kirchturm ein, und ein Hof brannte ab. Danach war in dem Dorf über Weihnachten eine Krankheit ausgebrochen, die siebzehn Dörfler das Leben gekostet hatte. In Scharen waren die Todesengel zu Silvester gekommen, um sie zu markieren und abzuholen, die bis in alle Ewigkeit für diesen Mord in der Hölle würden zahlen müssen. Besonders in den Familien der Täter gab es viele Kranke, zwei von ihnen erlitten einen permanenten Hirnschaden. Die Begründung des Pfarrers lautete damals, dass die ermordete Esther eine der Ihren gewesen war. Ein Junge aus dem Nachbardorf, dessen Familie Esther vier Jahre lang versteckte, hatte sich in sie verliebt. Die beiden hatten heimlich geheiratet, und sie war schwanger mit seinem Kind. Doch dann musste er an die Front, und Esther wurde verraten. Sie hatte im tiefsten Winter allein über die Berge fliehen wollen. Weil ihr Liebster nach Frankreich eingezogen worden war, wollte sie zu ihm. Als die Nachricht von Esthers Ermordung zu ihrem Mann durchgedrungen ist, hat er sich noch am selben Tag an der Front erhängt.
    Magdalena wird nie in ihrem Leben Ruhe finden. Der beste Freund ihres Vaters war der Haupttäter, und die anderen sorgten dafür, dass er niemals für seine Tat zur Verantwortung gezogen wurde. Als damals Rosemarie mit dem Baby starb, wollte sie mit Joe über Esthers Fluch sprechen, aber er wollte nicht zuhören. Unglück lässt sich auch herbeireden, heißt es allgemein auf dem Dorf, und inzwischen hält Magdalena ihren Mund. Sie hat eigene Sorgen mit der wachsenden Familie aus der Sahara. Wenn der Todesengel über ihr Tal fliegt, um die alte Waage der Gerechtigkeit auszugleichen, sind höhere Mächte am Werk. Man kann nur in Demut bitten und hoffen, denkt Magdalena und sieht dankbar zu ihrem Mann, der mit seinen beiden Schwestern im tiefen Gebet versunken ist.
    Bene erschrickt. Der Cowboy ist tot, liegt völlig leblos da. Blut färbt den Schnee im Licht der Taschenlampe, die leere Flasche Obstler liegt auf Joes nacktem Oberkörper neben dem Marterl. Benes Instinkt rät ihm, den alten Mann vor dem Anblick zu schützen, aber es ist zu spät. Opa Ernst ist bereits bei seinem Sohn. Hastig kniet er sich zu ihm in den Schnee und fühlt den Puls am Hals. Nein, noch ist sein Josef nicht tot. Es ist ein winziger Hauch Atem zu sehen, den auch Bene jetzt bemerkt. Er hilft Ernst, seine Jacke auszuziehen, um Joe damit zu wärmen, und nimmt gleichzeitig wahr, dass sie nicht mehr alleine sind. Eine junge Frau, flankiert von zwei dunklen Schattengestalten, kommt langsam näher und bleibt dann in einiger Entfernung stehen. Sie ist deutlich kleiner als ihre Gefährten, die Bene in der
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