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Maria, Mord und Mandelplätzchen

Maria, Mord und Mandelplätzchen

Titel: Maria, Mord und Mandelplätzchen
Autoren: Michelle Stöger
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Doch Ella schnellt vor, und noch ehe ich begreife, was passiert, umkrallt sie seinen Arm und dreht ihn nach hinten auf seinen Rücken.
    »Auaaa«, jault er, aber da schiebt ihn Ella schon durchs Gartentor. Mein Teamgeist erwacht. Ich entwinde dem hilflosen Bussard die Haustürschlüssel, schließe auf – erste Etage links – und knipse das Licht in der Einzimmerbude unseres Gefangenen an. Ella stößt ihn unter Zuhilfenahme ihres knochigen Knies auf den nächstbesten Sessel, wo er in Schräglage hängenbleibt und sich den Arm reibt.
    »Nun zum Geschäftlichen«, sagt Ella sachlich. »Du willst also zehntausend Cash von mir, weil du mich sonst im Internet bloßstellst. Mit Fotos, wie du in deinem dreckigen Brief androhst. Zeig sie mir.«
    »Entschuldigung. Es war ein Dummeit. Isch abe keine Foto, ärlisch nischt«, antwortet der Bussard weinerlich.
    »Lass dieses Franzosengetue, du Pfeife.« Ella wendet sich einem alten Schreibtisch zu, auf dem unzählige Papierstapel liegen. »Aha«, bemerkt sie nur und stöbert ein bisschen. »Wie vielen Frauen hast du mit deinen Scheißbriefen Angst eingejagt? Und wo ist das Geld, das du von ihnen erpresst hast?«
    Na hör mal«, bricht es aus dem Bussard heraus, nun ganz ohne französischen Akzent. Er will aufspringen, aber da vollführt Ella eine Drehung, schnappt ihn sich wieder, dreht ihn wie einen Korkenzieher und knallt ihn dann mit dem Rücken auf den Boden.
    »Wow«, sage ich. Der Bussard sagt gar nichts mehr, liegt nur röchelnd und mit Schweißperlen auf der Stirn da.
    »Das Geld«, wiederholt Ella, »wo ist es?«
    Er deutet auf eine Vitrine. Damit Ella den Bussard im Zaum halten kann, übernehme ich es, die Vitrine zu durchsuchen. Und tatsächlich: Ich finde einen Schuhkarton, der zu dreiviertel angefüllt ist mit Geldscheinen. Obenauf liegt eine Liste mit zwanzig Namen und Adressen, neben denen jeweils eine Summe steht, die meisten mit einem Häkchen versehen. Verschämt suche ich die Liste nach meinem eigenen Namen ab und finde ihn auch, daneben die Summe, die der Bussard von mir verlangt, aber nicht bekommen hat, weshalb ich auch kein Häkchen habe.
    »Gute Buchführung«, bemerke ich und lasse Ella einen Blick in die Schachtel werfen. »Woher hat der bloß die Adressen?«
    Ella rollt mit den Augen. »Das ist doch einfach, dazu brauchst du höchstens mittlere kriminelle Energie und nicht mal viel Grips, wie du an unserem Prachtexemplar siehst.«
    Der Bussard unternimmt derweil verzweifelte Abwehrbewegungen, aber Ellas Fuß hält ihn unten. Sie weist mich an, den Karton samt Buchführung zu konfiszieren und mich damit zum Ausgang zu bewegen, während sie selbst den Fuß vom Bussard nimmt und rücklings zur Tür geht.
    »Das ist mein Geld«, brüllt der Bussard, reißt sich in letzter Verzweiflung hoch, nimmt die Schreibtischlampe, holt aus und greift sich noch im Wurf ans Kreuz, bevor er mit einem Aufschrei zusammenklappt. Die Lampe kracht unverrichteter Dinge zu Boden.
    »Ich kann mich nicht mehr bewegen«, jammert er. Ellas Diagnose lautet: »Bandscheibenvorfall, bei einem Wamperten wie dir kein Wunder. Frohe Weihnachten.« Sie nimmt sein Telefon von der Aufladestation und schiebt es mit dem Fuß in seine Reichweite. »Telefonieren kannst du ja noch.«
    Damit verschwinden wir aus Bussards Einzimmerwohnhöhle und aus seinem Leben in die dunkle, kalte Scharbeutzer Nacht. Mit beiden Händen umklammere ich unsere Beute, als wir uns den Hang hochrackern.
    »Woher kannst du diese Hammergriffe?«, frage ich Ella keuchend.
    »Jahrelanges Training«, antwortet sie und keucht dabei kein bisschen. »Bevor selbst ich unerwartet älter wurde, war ich niederrheinische Karatejugendmeisterin. Seither halte ich mich mit regelmäßigem Training fit.« Sie mustert mich, als suche sie den geheimen Rückzugsort meiner Taille. »Du solltest auch was tun«, setzt sie nach, »ich hätte da ein paar Ideen.«
    Ich nicke, sehe den Wölkchen meiner gefrorenen Atemluft hinterher und versuche als erste Amtshandlung auf dem Weg zu neuer Fitness, meine vor Kälte taubgefrorenen Finger wieder zum Leben zu erwecken. Noch bevor wir unser Appartement betreten, hören wir aus der Ferne die Sirene eines Martinshorns. Ella lächelt.
    Kaum haben wir Mäntel und Stiefel ausgezogen, kippt Ella den Karton auf dem Holztisch aus, und wir beginnen zu zählen. Zählen noch einmal und noch einmal. Vor uns liegen unglaubliche einundsiebzigtausend Euro, die wir nach strenger Berücksichtigung der Liste in dreizehn
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