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Maria, Mord und Mandelplätzchen

Maria, Mord und Mandelplätzchen

Titel: Maria, Mord und Mandelplätzchen
Autoren: Michelle Stöger
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durfte. Auch im Heim konnte sie die jungen Menschen nicht ertragen, sie fühlte sich durch ihre Anwesenheit zu sehr an den eigenen Verfall erinnert.
    Oma Martha hatte Geld. Nicht nur einen versteckten Sparstrumpf im Schrank, sie konnte sich durchaus etwas leisten.
    Aber sie hatte auf ihrem Reichtum gesessen wie ein Adler auf seinen Eiern. Keinen Cent hatte sie freiwillig herausgerückt, alles, was sie aus ihrer Schatzkammer holte, wurde dokumentiert, musste mit Zinsen zurückgezahlt werden. Oma Martha war hart, zäh und unerbittlich.
    Dass sie uns allen nun mit ihrem spontanen Ableben auch das bevorstehende Weihnachtsfest kaputt machte, passte wie die Faust aufs Auge. Obwohl ich fairerweise zugeben musste, dass es nicht ganz in ihren Schuldbereich fiel, weil sie vermutlich nicht gesprungen, sondern gestoßen worden war.
    Trotz allem konnte ich die gesamte Verwandtschaft als Täter ausschließen, da Oma Martha nie einen Hehl daraus gemacht hatte, dass nicht einer von uns etwas erben würde. Ein Teil ihres Geldes floss regelmäßig in die sündhaft teure Unterbringung dieses Heims, das sich direkt hinter dem Deich befand und ihr einen unvergleichlichen Blick über den Hafen von Carolinensiel bescherte. Den Rest des Geldes hatte sie vorsorglich irgendeiner Seemannseinrichtung als Schenkung überschrieben. Oma Martha war nämlich einst mit einem Matrosen verlobt gewesen, der aber von einer Seereise nicht zurückgekehrt war. Die übliche Geschichte eben. Doch was die Seefahrt anging, da war Oma Martha sentimental gewesen. Da nun kein wirklicher Reichtum durch ihr Dahinscheiden zu erwarten war, gab es also kein Motiv für die Verwandtschaft.
    Mir oblag nun die Aufgabe, die Polizei zu informieren und die Familie von Oma Marthas Tod in Kenntnis zu setzen. In meinem Kopf sprangen die Gedanken hin und her. Es schien mir, als spielten sie »Himmel und Hölle«.
    Es gab so verdammt viel zu beachten. Der Zeitpunkt der Beerdigung und die Weihnachtsfeier mussten koordiniert werden. Es war der 20 . Dezember, die Beerdigung würde also noch vor Weihnachten, wenn nicht gar am Weihnachtstag selbst stattfinden müssen.
    Ich fand, es sei strategisch günstig, die Beisetzung auf den Vormittag des Heiligen Abends zu legen, weil dann ohnehin alle da wären und das Kaffeetrinken ohne viel Federlesens in ein Café verlegt werden könnte. So würde ich sauber aus der Nummer rauskommen, schon am Nachmittag die Weihnachtsgäste bewirten zu müssen. Allerdings würde es schwierig sein, den Pastor dafür zu begeistern.
    Ich stieß Oma Martha ein letztes Mal kurz mit der Fußspitze an. So gesehen hatte sie mir doch einen winzigen Gefallen getan, sich genau jetzt vom Balkon stürzen zu lassen. Ich schätzte es nämlich gar nicht, dass sich sämtliche Weihnachtsfeierlichkeiten immer in meiner engen Wohnung abspielten.
    Die unvorhergesehene Situation ihres spontanen Ablebens ersparte mir definitiv viel Arbeit. Das Pastorengespräch würde ich zeitlich gut dazwischenschieben können, das bisschen Gefühlsduselei würde mir ein Leichtes sein. Zu Weihnachten ist der Mensch ohnehin emotional angestochen.
    Ich hatte so weit alles geklärt. Bis auf den Mord.
    Außer mir würde vermutlich kaum einer ein Verbrechen vermuten. Alle würden denken, Oma sei einfach so abgestürzt. Zu weit übers Geländer gelehnt und tschüss. Unachtsam, so wie alte Menschen eben waren.
    Ich aber wusste es besser. Oma Martha war die Erfinderin der Vorsicht. Niemals würde sie unkontrollierte Dinge tun.
    Doch egal, wie blöd sie sich manchmal verhalten hatte, einen solchen Tod hatte sie einfach nicht verdient. So war ich nicht gewillt, Oma Marthas Tod ungesühnt zu lassen.
    Ich musste den Mörder suchen, herausfinden, was sich an diesem Nachmittag im Zimmer meiner Oma abgespielt hatte. Es war unvermeidbar, dass ich mich in die Höhle des Löwen, sprich, ins Altenheim begab. Zuvor wollte ich Oma allerdings verschwinden lassen. Ich fand, es könnte vorteilhaft sein, wenn nicht alle wussten, dass Oma Martha auf dem Weg in den Himmel war.
    Ich sah mich um. Außer dem Mörder wusste niemand von alldem, und der wiederum konnte kein Interesse daran haben, mich zu verpfeifen.
    Seit einer Woche herrschte tiefer Frost, selbst im Hafen trieben Eisschollen. Ich würde Oma eine Weile verstecken können, ohne dass es jemand merkte.
    Mir fiel das große Gewächshaus des Seniorenheims ein, das um diese Zeit keiner betrat. Wenn ich Oma Martha ein bisschen versteckt in die Ecke hinter die vielen
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