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Maria, Mord und Mandelplätzchen

Maria, Mord und Mandelplätzchen

Titel: Maria, Mord und Mandelplätzchen
Autoren: Michelle Stöger
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Häufchen aufteilen. Ungläubig müssen wir feststellen, dass sechs Frauen tatsächlich fünftausend Euro herausgerückt haben, fünf Gutgläubige sogar achttausend und zwei immerhin fünfhundert. Lediglich bei sieben Frauen hatte der Bussard kein Glück. Mir schwirrt der Kopf, und die Lider werden mir schwer. Ich höre noch, wie Ella sagt: »Ich gehe uns einen Tee kochen«, dann fallen mir die Augen zu.
    Als ich wach werde, ist es schon Morgen. Ich liege mit verschränkten Armen über dem Tisch und trage noch die gleiche Kleidung wie gestern, was insofern praktisch ist, als ich ohnehin nichts zum Umziehen dabei habe. Die Uhr zeigt halb neun. Mir wird gerade bewusst, dass Ella nicht da ist, als sich der Schlüssel im Schloss dreht und sie mit einer frischen Schneeluftbrise hereinkommt, in der Hand eine Tüte, aus der sie triumphierend eine Zahnbürste zieht. »Habe ich in der Apotheke vorne am Kurpark gekauft, eigentlich hatten die noch gar nicht auf. Nun mach schon, wir haben zu tun.«
    »Danke«, antworte ich, »du bist großartig.« Das meine ich Wort für Wort. Als ich aus dem Bad zurückkomme, liegen dreizehn Weihnachtskarten samt Umschlägen vor ihr, außerdem Briefmarken, ein Beutel Mandelplätzchen und Bussards Liste. Sie schiebt eines der abgezählten Geldbündel zwischen eine Weihnachtskarte, legt ein Mandelplätzchen dazu, steckt alles zusammen in einen Umschlag, schreibt den zur Summe passenden Namen aus der Liste darauf und klebt ihn zu.
    »Das ist die Erste. Mit den restlichen zwölf machen wir das genauso. Hilfst du mir?«
    »Willst du nichts dazuschreiben?«, frage ich.
    »Ach wo«, Ella schüttelt energisch den Kopf, »wenn die Frauen die Scheine sehen und nachzählen, dann wissen sie sofort, um welches Geld es sich handelt. Und weißt du was? Die werden sich freuen wie die Schneekönige.«
    »Besonders so kurz vor Weihnachten.« Ich halte inne, betrachte die Tannenzweige und Sterne auf den Weihnachtskarten und die Mandelplätzchen, und mit einem Mal wird mir geradezu feierlich zumute.
    »Wir machen ihnen eine unverhoffte und große Freude zum Fest. Das ist schön. Warte, ich helfe dir.«
    Zehn Minuten später stapelt Ella dreizehn frankierte Briefe aufeinander. »Ich wette, der hat auf einen Sportwagen gespart. Anders ist nicht zu erklären, dass er die Einnahmen nicht angerührt hat.«
    »Sportwagen? Der Bussard?« Ich tippe mir an die Stirn.
    »Denk doch mal nach.« Ella fegt die Krümel vom Tisch und packt ihre Sachen zusammen. »Mit einem schicken Sportwagen hätte er in eine höhere Liga einsteigen können.«
    »Höher als wir, meinst du«, entgegne ich etwas pikiert, weil ich es unerhört finde, nicht gut genug zu sein für einen wie den Bussard.
    Ella schiebt mir ein übriggebliebenes Mandelplätzchen in den Mund. »Nicht höher, nur reicher«, lacht sie, »sei nicht so empfindlich. Jetzt müssen wir los.«
    Unten wartet schon das bestellte Taxi auf uns. Der Wagen biegt von der Zufahrt nach rechts ab und umrundet im Schritttempo die gefrorenen Schlaglöcher. Noch einmal schauen wir über die Ostsee.
    »Schade«, sagt Ella, »wäre Sommer, würde ich jetzt einfach geradeaus bis nach Timmendorf joggen. Aber wir holen das nach.«
    Wir? Ich frage lieber nicht nach, ob Joggen mit zu ihren Ideen für meine zukünftige Körperertüchtigung zählt. Aber ich weiß jetzt schon: Ich werde mich fügen, wenn dem so ist. Gerne sogar.
    Das Meer entschwindet vorübergehend aus unserem Blickwinkel, als der Wagen nach rechts abbiegt und um Scharbeutz herumfährt. In der Seestraße lässt Ella den Fahrer noch mal anhalten, um die dreizehn Briefe auf der Post abzugeben, anschließend geht es auf direktem Weg die Strandallee entlang nach Haffkrug zum Bahnhof.
    »Ich nehme das Abteil hinter der Lok«, sage ich.
    »Und ich das daneben«, ergänzt Ella. Wir lächeln uns an. So wie es ist, ist es gut.
    Beim Aussteigen in unserem rheinischen Städtchen treffen wir uns wieder. Den Heimweg treten wir gemeinsam zu Fuß an. In unserem Gässchen angekommen, bleiben wir stehen, sehen nach oben zu unseren winzigen Balkonen und lachen los.
    »Weihnachten wie jedes Jahr?«, fragt Ella.
    »Weihnachten wie immer«, bestätige ich.
    An diesem Abend gehe ich, nach einem ausgiebigen Schaumbad mit Rosenduft, zeitig schlafen und wache früh am nächsten Morgen auf. Ich schiebe die Gardinen vor meinem Schlafzimmerfenster beiseite und lasse frische Luft herein. Ellas Gardinen wehen bereits im Luftzug. Erwartungsfroh schlurfe ich
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