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Maria, Mord und Mandelplätzchen

Maria, Mord und Mandelplätzchen

Titel: Maria, Mord und Mandelplätzchen
Autoren: Michelle Stöger
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Haffkrug-Scharbeutz ankommen, ist es früher Nachmittag, und Ella hat das Kommando übernommen. In null Komma nichts gelingt es ihr, ein Taxi herbeizuzaubern. Sie gibt dem Fahrer zwei Adressen in Scharbeutz an, zunächst als kurzen Zwischenstopp Strandallee 98 , dann Am Hang. So haben wir es verabredet. Der Wagen kommt nur langsam voran auf der verschneiten Strandallee, was Ella und mir Gelegenheit gibt, den Ausblick auf die winterliche Ostsee zu genießen, die geheimnisvoller und bedrohlicher wirkt als im Sommer. Weiße Gischt spritzt an den Strand und verschmilzt mit schneebedeckten, gefrorenen Sandrillen, so dass die Grenzen zu einer einzigen unendlichen Winterlandschaft verwischen.
    »Eine Jugendherberge?«, entfährt es Ella, als der Fahrer an der Strandallee 98 anhält.
    »Jau«, sagt der trocken, »hab mich auch schon ein büschen gewundert.« – »Wir steigen trotzdem mal aus«, entscheidet Ella und bittet den Fahrer zu warten. Ich bin froh, dass ich meine Stiefel mit den geriffelten Sohlen anhabe. Wie auf Eiern schlittern wir auf die Jugendherberge zu, die zu allem Überfluss aus mehreren Gebäuden in einem weiten Parkgelände zu bestehen scheint. Der Schnee dämpft alle Geräusche, es ist sehr, sehr still.
    »Und nun?«, frage ich und bleibe auf dem Bürgersteig stehen.
    »Nun gehe ich da rein«, verkündet Ella, »wenn der Kerl diese Adresse als Treffpunkt angibt, dann hat er auch eine irgendwie geartete Verbindung dazu. Psychologie, verstehst du.«
    Noch ehe ich nicken kann, dreht sie sich um und geht auf ein langgestrecktes, braun geklinkertes Haus zu. »Willst du mitkommen?«, ruft sie mir noch über die Schulter zu.
    »Ich warte hier auf dich«, rufe ich zurück. Da wir nun Verbündete sind, haben wir beschlossen, uns zu duzen. Auf meinen Wunsch hin nenne ich sie noch immer Ella, und sie hat dem mit einem, wie mir schien, amüsierten Lächeln zugestimmt.
    Nach wenigen Minuten kommt sie, ungeachtet des schneeglatten Weges, schwungvoll auf mich zu.
    »Wir haben ihn«, sagt sie, »der Typ ist ein solcher Idiot.«
    Kurze Zeit später erreichen wir mit dem Taxi die Scharbeutzer Seebrücke, und mir werden die Knie weich. »Hier habe ich ihn das erste Mal getroffen, damals, im Sommer vor sechs Jahren«, sage ich leise zu Ella.
    »Ich auch«, antwortet sie, leider überhaupt nicht leise, »war wohl sein Jagdgebiet.«
    Der Fahrer beobachtet uns im Rückspiegel, und ich sehe die Lachfältchen um seine Augen. Am Seebrückenvorplatz lassen wir ihn anhalten, zahlen und steigen aus. Die Seebrücke. Ich betrachte sie und erinnere mich an warme Sommertage, an das Getrappel der Kinderfüße auf den hölzernen Planken der Brücke, die weit ins Meer hinausreicht, an das Stimmengewirr der fröhlich flanierenden Gäste, an den Geruch von Sonnenmilch. Jetzt ist die Seebrücke verschneit, Eiszapfen hängen vom Steg herunter, und eine dicke Eisenkette versperrt den Zugang.
    »Hier lang«, sagt Ella und hakt sich bei mir ein. Das Meer links von uns immer im Blick, schlendern wir die Promenade entlang, entdecken zwei Dünenhäuser am Strand, die wir noch nicht kannten, halten auf der anderen Seite der Meile nach Restaurants und Geschäften Ausschau, von denen aber die meisten geschlossen sind. Einige wenige Menschen begegnen uns, dick vermummt, mit roten Gesichtern.
    »Also, was hast du erfahren?«, frage ich endlich in die Winterstille hinein.
    »Alles, was wir wissen müssen. Er hat in der Sommersaison in der Jugendherberge gejobbt, ist dort aber rausgeflogen. War gar nicht so einfach, das rauszukriegen. Die Herberge schließt in zwei Tagen, die räumen quasi schon zusammen. Glücklicherweise habe ich so eine Art Rezeption entdeckt, an der eine freundliche Frau arbeitete.«
    »Ella, bitte, komm zur Sache.«
    »Also gut. Es gibt da eine Reihe von Briefkästen. Die habe ich als erstes studiert. Und welchen Namen finde ich, wenn auch schon leicht vergilbt?«
    »Wirst du es mir gleich verraten oder erst morgen?«
    »Den Namen Gerhard Bussard.«
    »Ach schau an. Er heißt also wirklich so. Und spielt auch noch ein Spielchen damit.« Ich bin tatsächlich überrascht über so viel Blödheit. Er schickt Frauen, die er vorsätzlich und hinterlistig ausnehmen will, einen holzgeschnitzten Bussard als Erkennungsmerkmal und offenbart damit seinen eigenen Nachnamen. »Übrigens eine Frechheit, dass ich diesen Holzbussard in der Hand halten sollte«, fahre ich fort. »Er kennt mich doch.«
    Ella lacht. »Aber wie lange ist das her?
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