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Margos Spuren

Margos Spuren

Titel: Margos Spuren
Autoren: John Green
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ans Schließfach um seine Anerkennung auszudrücken, dann setzte er noch eins drauf. »Ben, dir ein Schulballdate zu besorgen ist so schwer, dass nach Einschätzung der amerikanischen Regierung das Problem nicht mit Diplomatie, sondern nur durch Waffengewalt zu lösen ist.«
    Ich bastelte gerade am nächsten Spruch, als wir den wandelnden Anabolika-Ballon Chuck Parson erblickten, der zielstrebig auf uns zugestampft kam. Chuck Parson trieb keinen Sport – Sport hätte ihn von seiner eigentlichen Bestimmung abgelenkt : eines Tages wegen Mordes verurteilt zu werden. »Hey, ihr Schwuchteln«, begrüßte er uns.
    »Chuck«, antwortete ich, so nett ich konnte. In den letzten Jahren hatte Chuck uns mehr oder weniger in Ruhe gelassen – anscheinend hatte jemand im Reich der coolen Kids die Devise ausgegeben, dass wir unangetastet bleiben sollten. Deswegen war es ein bisschen ungewöhnlich, dass er überhaupt das Wort an uns richtete.
    Vielleicht weil ich den Mund aufgemacht hatte, vielleicht auch nicht, rammte er die Hände rechts und links von mir gegen den Schrank und kam nahe genug, dass ich seine Zahnpastamarke erraten konnte. »Was weißt du über Margo und Jason?«
    »Äh«, sagte ich. Ich dachte an alles, was ich über die beiden wusste : Jason war Margo Roth Spiegelmans erster und einziger ernsthafter Freund. Beide würden im nächsten Jahr an die University of Florida in Gainesville gehen. Jason bekam ein Baseballstipendium. Er war nie bei Margo zu Hause, außer um sie abzuholen. Sie verhielt sich nicht so, als würde sie ihn besonders mögen, aber andererseits verhielt sie sich nie so, als würde sie irgendjemanden mögen. »Gar nichts«, sagte ich schließlich.
    »Verarsch mich nicht«, knurrte Chuck.
    »Ich kenne sie kaum«, sagte ich, was mittlerweile stimmte.
    Er musste eine Minute über meine Antwort nachdenken, und ich versuchte, so gut ich konnte, dem Blick seiner eng stehenden Augen standzuhalten. Dann nickte er kaum merklich, drückte sich von den Schließfächern ab und marschierte davon zu seiner ersten Unterrichtsstunde : Hege und Pflege der Brustmuskulatur. Es klingelte zum zweiten Mal. Noch eine Minute bis Unterrichtsbeginn. Radar und ich hatten zusammen Mathe; Ben war im Parallelkurs. Die Räume lagen direkt nebeneinander, und wir gingen gemeinsam hin, zu dritt in einer Reihe im Vertrauen darauf, dass das Meer unserer Klassenkameraden sich teilte, um uns durchzulassen, und so geschah es.
    Ich sagte : »Für dich ein Schulballdate zu finden ist so unwahrscheinlich, dass selbst tausend Affen, die tausend Jahre lang an tausend Schreibmaschinen tippen, kein einziges Mal den Satz ›Ich gehe mit Ben zum Schulball‹ schreiben würden.«
    Nicht mal Ben konnte der Versuchung widerstehen, sich selbst fertig zu machen. »Meine Aussichten für den Schulball sind so düster, dass mich sogar Qs Oma abblitzen lässt. Sie will lieber abwarten, ob Radar sie fragt.«
    Radar nickte bedächtig. »Stimmt, Q. Deine Oma steht auf uns Brüder.«
    Es war so lächerlich einfach, die Sache mit Chuck zu vergessen und über den Schulball zu reden, auch wenn mir der Schulball vollkommen egal war. Aber so war das Leben an jenem Morgen : Nichts war wichtig, weder die guten noch die schlechten Dinge. Wir waren nur damit beschäftigt, Sprüche zu klopfen, uns gegenseitig zum Lachen zu bringen, und darin waren wir ganz gut.
     
    Die nächsten drei Stunden verbrachte ich in verschiedenen Klassenzimmern und versuchte nicht auf die Uhr über den verschiedenen Tafeln zu starren, und dann sah ich doch hin und war jedes Mal erschüttert, wie wenig Zeit vergangen war, seit ich das letzte Mal zur Uhr gesehen hatte. Ich hatte fast vier Jahre Erfahrung darin, auf diese Uhren zu sehen, aber ihre Trägheit überraschte mich jedes Mal aufs Neue. Falls man mir je sagen sollte, ich hätte nur noch einen Tag zu leben, würde ich schnurstracks zurück in die geweihten Hallen der Winter-Park-Highschool gehen, wo ein Tag bekanntlich tausend Jahre dauerte.
    Doch auch wenn es sich so anfühlte, als wollte Physik nie zu Ende gehen, klingelte es irgendwann, und dann saß ich mit Ben in der Cafeteria. Radar und die meisten unserer Freunde hatten eine Stunde später Mittagspause, deswegen aßen Ben und ich meistens allein, mit ein paar leeren Stühlen zwischen uns und einer Gruppe von Theaterleuten, die wir kannten. Heute standen Minipizzen mit Salami auf dem Menu.
    »Gute Pizza«, sagte ich. Er nickte zerstreut. »Was ist los?«, fragte
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