Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Margos Spuren

Margos Spuren

Titel: Margos Spuren
Autoren: John Green
Vom Netzwerk:
beobachtet, wie ich Margo beobachtete, und kannte das Phänomen inzwischen. »Im Ernst, Mann, sie ist scharf, aber so scharf ist sie nun auch wieder nicht. Weißt du, wer ernsthaft scharf ist?«
    »Wer?«, fragte ich.
    »Lacey.« Lacey war Margos andere beste Freundin. »Und deine Mutter. Alter, als ich gesehen habe, wie deine Mutter dir heute Morgen den Kuss gegeben hat — tut mir leid, aber ich schwöre, ich habe gedacht, Gott, ich wünschte, ich wäre Q. Und ich wünschte, ich hätte einen Pimmel im Gesicht .« Ich gab ihm einen Stoß in die Rippen, aber ich dachte immer noch an Margo, weil Margo die einzige lebende Legende war, die genau bei mir im Nachbarhaus wohnte. Margo Roth Spiegelman, deren sechssilbiger Name meistens ehrfurchtsvoll in seiner vollen Gänze ausgesprochen wurde. Margo Roth Spiegelman, deren Geschichten über ihre heldenhaften Abenteuer durch die Schule fegten wie ein Sommersturm : Die Geschichte von dem alten Mann, der ihr in einer kleinen Hütte in Hot Coffee, Mississippi, Gitarrespielen beigebracht hatte. Die Geschichte von dem Zirkus, mit dem Margo Roth Spiegelman drei Tage lang gereist war, weil die Zirkusleute ihr Potenzial am Hochtrapez erkannten. Die Geschichte von den Mallionaires, mit denen Margo Roth Spiegelman nach einem Konzert in St. Louis hinter der Bühne Kräutertee trank, während die Bandmitglieder Whiskey kippten. Die Geschichte, wie Margo Roth Spiegelman in das Konzert reingekommen war, weil sie dem Türsteher erklärte, sie sei die Freundin des Bassisten, ob er sie nicht wiedererkannte – komm schon, Mann, im Ernst, ich bin’s, Margo Roth Spiegelman, du kannst ihn ja holen, dann sagt er dir, dass ich seine Freundin bin oder dass er wünschte, ich wäre es, worauf der Türsteher nach hinten ging, und der Bassist sagte : »Ja, das ist meine Freundin, lass sie rein.« Und später, als er sie anmachen wollte, hatte Margo Roth Spiegelman den Bassisten der Mallionaires abblitzen lassen .
    Die Geschichten, die über sie kursierten, endeten immer mit : Unglaublich, Mann . Doch selbst wenn sie schwer zu glauben waren, am Ende waren sie immer wahr.
    Und dann waren wir an unseren Schließfächern, wo Radar an Bens Schließfach lehnte und auf seinen Palmtop eintippte.
    »Du gehst also zum Schulball«, sagte ich zu ihm. Er blickte auf, dann blickte er wieder auf den Bildschirm.
    »Ich räume gerade den Omnictionary-Eintrag eines ehemaligen französischen Staatspräsidenten auf. Gestern Abend hat jemand den ganzen Artikel gelöscht und stattdessen ›Jacques Chirac ist schwül‹ hingeschrieben, was weder faktisch noch sprachlich korrekt ist.« Radar war der Superredakteur eines von Benutzern verfassten Online-Lexikons namens Omnictionary. Der Instandhaltung und dem Wohlergehen von Omnictionary widmete er sein ganzes Leben. Das war einer von mehreren Gründen, weshalb mich die Tatsache, dass er zum Schulball ging, überraschte.
    »Du gehst also zum Schulball«, wiederholte ich.
    »Tut mir leid«, sagte er, ohne aufzublicken. Es war allseits bekannt, dass ich ein Gegner des Schulballs war. Absolut nichts, was damit zu tun hatte, machte mich an – weder das langsame Schwofen noch das schnelle Discogehüpfe, weder die Kleider der Mädchen und erst recht nicht der Smoking vom Kostümverleih. Einen Smoking zu leihen schien mir der beste Weg, sich von seinem Vorbesitzer irgendeine widerliche Krankheit zuzuziehen, und ich hatte keine große Lust darauf, mir als Jungfrau Filzläuse zu holen.
    »Alter«, sagte Ben zu Radar, »die Geschichte vom blutigen Ben ist bis zu den Schnuckelpuppen aus der Neunten durchgesickert.« Endlich steckte Radar den Palmtop ein und nickte mitfühlend. »Tja«, fuhr Ben fort, »jetzt habe ich nur noch zwei Alternativen. Entweder ich bestelle eine Tussi übers Internet oder ich fliege nach Missouri und kidnappe mir eine süße Freilandschnuckelpuppe frisch von der Farm.«
    Ich hatte mehrfach versucht Ben zu erklären, dass die Bezeichnung »Schnuckelpuppe« nicht retro-cool, sondern sexistisch und doof war, aber er weigerte sich, seinen Sprachgebrauch zu ändern. Sogar seine eigene Mutter nannte er »Schnuckelpuppe«. Es war ihm einfach nicht zu helfen.
    »Ich frage Angela, ob sie jemand kennt«, bot Radar an. »Auch wenn es leichter ist, aus Blei Gold zu machen, als dir ein Schulballdate zu besorgen.«
    »Dir ein Schulballdate zu besorgen ist so schwer, dass allein die Idee eine Herde Elefanten aufwiegt«, sagte ich.
    Radar schlug zweimal mit der Faust
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher