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Marathon Mosel

Marathon Mosel

Titel: Marathon Mosel
Autoren: Mischa Martini
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Zwischen dem Geplapper hörte er ein dumpfes Kratzen. Kurz darauf tauchte ein Mann im zum Orange des Wagens passenden Overall hinter dem Auto auf. Als er sich beim Öffnen der Wagentür ins Profil drehte, sah Ben den fülligen Bauch, der sich über dem Gürtel wölbte. Die gelben Gummistiefel reichten dem Mann bis zu den Knien.
    Ben folgte dem Wagen, dessen tuckerndes Motorgeräusch von den hohen Wänden der Gasse zurückgeworfen wurde. Obwohl er sich mit aller Kraft in die Pedale stemmte, verlor er schnell den Anschluss. An einer Gabelung entschied er sich, rechts abzubiegen. Er hatte Glück. Der vertraute Klang des vom Zwischengas auf Touren gehaltenen VW-Motors kam ihm in die Ohren, noch bevor der an der Einmündung zur Allee wartende Wagen zu sehen war.
    Zwei Straßen weiter wollte Ben gerade aufgeben, als der Wagen bremste und vor einer Metzgerei hielt. Im Vorbeifahren sah er den leuchtenden Overall in der Tür des Ladens verschwinden. Ben blieb nur wenig Zeit zum Verschnaufen. Der Wagen fuhr kurz darauf wieder an ihm vorbei und bog in eine Seitenstraße ein, die hinter einem Sackgassenschild stark anstieg.
    Ben schaltete in kurzer Folge mehrmals herunter, bis er eine Trittfrequenz erreichte, bei der er sich wie ein Hamster im Rädchen vorkam. Der Wagen parkte mit zurückgeschlagener Plane neben einem Hügel mit Bauschutt an einem Wendekreis. Der Kanalarbeiter lud etwas aus und trug es in ein kleines Haus mit einer provisorisch aus Brettern gezimmerten Haustür.
    Ben stieg ab und pumpte Luft in die Reifen. Der Schweiß lief ihm über die Stirn und tropfte auf das Rad. Als er die Ventile wieder zugeschraubt hatte, prüfte er die Bautenzüge der Bremsen. Das Häuschen wirkte unbewohnt. Nach wenigen Minuten war das Geräusch eines Presslufthammers zu hören.
    Etwas später fuhr ein orange-lackierter Ford Fiesta in den Wendekreis. Ein Mann, ebenfalls im orangefarbenen Overall, stieg aus und klopfte an die Behelfstür. »Elmar, Elmar, es wird Zeit!«
    Elmar – so hieß also der Kanalarbeiter, den Ben für seine Zwecke einspannen wollte, falls er es von den Kaiserthermen aus nicht schaffen würde, an sein unterirdisches Ziel zu gelangen.
    *
    Vor der Tür parkte Maries Kangoo. Doris schnürte gerade ihre Laufschuhe, als Walde gegen sieben Uhr am Abend die Diele betrat.
    »Entschuldige, aber du hättest nicht zu warten brauchen.«
    »Jetzt bist du ja da.« Sie band sich die Stoppuhr ums Handgelenk.
    »Was macht Annika?«
    »Ich hab’ sie gerade gestillt. Marie und Jo bleiben bei ihr, bis wir zurück sind.«
    Walde zog sich um und ging barfuß, die Laufschuhe in der Hand, zur Küche. Annika saß auf Jos Schoß und zupfte an seinem Bart. Jedes Mal, wenn sie die kurzen Haare festhalten konnte, gab Jo einen Schmerzenslaut von sich, gefolgt von einem Jauchzer des Kindes. Walde drückte ihr einen Kuss auf den flaumigen Hinterkopf. Die Katze Minka verließ ihr schattiges Plätzchen unter der Tanne, um ihr schwarzes Fell an Walde zu reiben und sich gleich wieder hinzulegen. Aus den Augenwinkeln sah Walde eine Alditüte, an die Tür zum Garten gelehnt, aus der der ramponierte Stiel von Jos Metallsuchgerät ragte. »Kommst du vom Suchen?«
    »Glaubst du, dass man jetzt noch Ostereier findet?«
    »Sehr witzig.« Waldes Feststellung wurde von Annikas Auflachen begleitet.
    »Können wir?«, fragte Doris von der Tür her.
    Walde setzte sich neben Jo auf einen Stuhl, streifte die Socken über und schlüpfte in seine Laufschuhe. Er stand auf: »Du hast ja nichts vor?«
    »Was meinst du?«
    »Zum Beispiel unseren Garten nach Schätzen zu durchsuchen.«
    Sie trabten in gemächlichem Tempo am Moselufer entlang. Walde blickte hoch zum Markusberg. Die Sonne stand wie ein Heiligenschein über der Mariensäule. Doris hatte zwei Monate nach Annikas Geburt das Training wieder aufgenommen. Walde war überrascht darüber, wie offensichtlich ihr das Laufen gefehlt hatte. Sie wirkte wie befreit und geriet in eine regelrechte Euphorie, als feststand, dass aus dem bisher als Zehner und Halbmarathon angebotenen Stadtlauf ein Marathon werden sollte.
    Hinter ihnen hüstelte jemand. Ein Radfahrer machte sich bemerkbar, der wie viele seiner Spezies aus Gewichtsgründen weder Schutzbleche noch Klingel an seinem Rennrad mitführte.
    Auf der glatten Oberfläche der Mosel bildeten sich konzentrische Kreise von Fischen oder aufsteigenden Luftblasen. Ein Krankenwagen jagte mit Blaulicht über die Uferstraße.
    »Mir steckt noch der Lauf von gestern in den
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