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Marathon Mosel

Marathon Mosel

Titel: Marathon Mosel
Autoren: Mischa Martini
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der Tod eine Duftmarke?
    Der Formaldehydgeruch in der Pathologie gewann gegen alles andere die Oberhand. Hier unten war es deutlich kühler. Allzu lange durfte er nicht bleiben, sonst lief er Gefahr, sich eine Erkältung einzufangen.
    »… eine Galgenfrist und dann …«, Gabi brach ab, als Walde hereinkam.
    »Ich war gerade in der Nähe«, Walde spürte, wie Gabi und der Pathologe ihn musterten. Ein schepperndes Geräusch erregte seine Aufmerksamkeit. Im hinteren Teil des Raumes räumte ein Assistent Werkzeuge von den Untersuchungstischen in einen Aluminiumbehälter.
    »Und jetzt möchtest du dir den Blutdruck messen lassen?«, spottete Gabi.
    »Mit so was kann ich leider nicht dienen«, Dr. Hoffmann reichte Walde seine zu allen Jahreszeiten kalte Hand. Er wies mit dem Daumen in Richtung der Kühlfächer. »Blutdruck gehört nicht zu den in meiner Abteilung gewünschten Befunden.« Der Pathologe setzte ein Grinsen auf, das Walde schon zur Genüge kannte. »Kennen Sie schon den?« Seine Mundwinkel näherten sich den Ohren. »Sagt der Arzt zum Patienten: ’Sie sind sterbenskrank. Ihnen bleibt nicht mehr viel Zeit.’
    Fragt der: ’Wie lange hab’ ich denn noch, Herr Doktor?’
    Doktor: ’Zehn’.
    Patient: ’Zehn was? Jahre, Monate, Wochen?’
    Doktor: ’Neun … ’« Hoffmann brach in sein heiseres Lachen aus.
    Walde versuchte zu schmunzeln.
    Gabi rollte hinter dem Rücken des Pathologen die Augen. »Und, bist du fit für Sonntag? Wie lang ist der Marathon noch mal?«
    »Etwa soviel Kilometer, wie du täglich an Zigaretten konsumierst.«
    »Was, achtzig Kilometer?«
    »Mach dir nichts draus, Gabi«, sagte Hoffmann. »Läufer leben auch nicht länger, sie sterben nur gesünder.«
    Walde versuchte das nasse T-Shirt von seinem Rücken wegzuzupfen, während er beobachtete, wie der Pathologe Gabi mehrere Blätter überreichte.
    »Hier ist mein vorläufiger Autopsiebericht. Die Kugeln wurden bereits von euren Ballistikern abgeholt. Neun Millimeter. Sie wurden in kurzem Abstand abgefeuert. Wahrscheinlich innerhalb von weniger als einer Sekunde. Die erste traf das Herz, die zweite durchschlug von der Stirn bis zum Hinterkopf praktisch das komplette Gehirn. Schon die erste war tödlich.«
    Gabi faltete die Blätter zusammen und versenkte sie in ihrer Handtasche. »Bist du dir sicher, dass nicht die erste den Kopf traf?«
    »Sicher. Die Begründung steht im Bericht, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass euch dieses Detail weiterhilft.« Gabis bittender Blick erbrachte weitere Erklärung. »Na gut. Für die, die den Bericht nicht lesen wollen: Der Schusskanal ist im Brustbereich waagerecht und hat beim Kopfschuss einen Winkel, der darauf hindeutet, dass das Opfer bereits im Begriff war, nach hinten zu fallen. Das stimmt auch mit der Lage überein, in der wir den Toten gefunden haben.«
    »Zwei Schuss innerhalb von wenigen Zehntelsekunden. Es handelt sich offenbar um einen sehr treffsicheren Schützen, falls die Kugeln aus der gleichen Waffe stammen.« Walde wandte sich seiner Kollegin zu. »Was macht Harry?«
    »Der ist gerade eben nach Hause gefahren. Er war vollkommen platt. Ist auf dem Zahnfleisch ins Auto gekrochen, konnte nicht einmal mehr richtig Gas geben. Das heißt ja wohl was.«
    Als der Assistent grußlos an ihnen vorbei zur Tür hinaus ging, ließ ein kalter Luftzug Walde erschaudern. Er kreuzte die Arme vor der Brust. »Ich muss wieder los.«
    Die Treppe nahm er im Laufschritt. Oben im Flur musste er sich mäßigen, um keinen der Leute anzurempeln. Selbst die warme Außenluft reichte ihm nicht. Er trabte sofort los, um sich wieder auf Betriebstemperatur zu bringen. Etwas vom Eingang entfernt sah er Grabbe mit erhobenem Arm auf einer Mauer am Wendekreis sitzen. Es schien ihm wieder besser zu gehen. Walde winkte zurück und beschleunigte seine Schritte.
    *
    Jacques Brel sang ’Quand on n’a que l’amour’. Der winzige MP3-Player gehörte zu den wenigen Utensilien, die nicht direkt der Mission dienten. Auch wenn das eingebaute Diktiergerät vielleicht hätte von Nutzen sein können. Ben war der Meinung, dass er sich diese Aufmunterung verdient hatte. Er liebte Jacques Brei. Die Musik barg viele Erinnerungen, baute ihn auf, in welch schlechter Verfassung er sich auch immer befand.
    Die wichtigste Beute aus dem Lager des Kampfmittelräumdienstes war zweifellos diese Karte, die er nun auf dem Monitor seines Laptops betrachtete. Sie zeigte die Trierer Innenstadt. Markante Stellen wie Porta Nigra, Dom,
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