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Mann Ohne Makel

Titel: Mann Ohne Makel
Autoren: Christian Ditfurth
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schwieg.
    »Aber dann kommst du doch?«, fragte Anne.
    »Ja«, sagte Stachelmann mit gequetschter Stimme.
    Er hörte sie atmen. »Du hast noch eine Zahnbürste hier.«
    »Ja«, sagte er. Ein zarter Lichtstrahl. Er trennte das Gespräch und schaute sich um. Die anderen im Raum schienen das Telefonat kaum wahrgenommen zu haben.
    »Dann war der alte Holler der Wächter über die eigene Hinterlassenschaft. Ich nehme an, die beiden Hollers haben sich verständigt, dass der Alte sterben musste. Das war leicht hinzukriegen. Vermutlich hatten sie Schiss, dass die Sache hochgehen würde. Herrmann hat unter falschem Namen auf Mallorca gelebt, und wenn es brannte, flog er her und klärte die Sache im Gestapostil«, sagte Taut. »Wir haben seinen falschen Pass und seinen Flugschein. So weit scheint alles klar.«
    »Apropos brannte, der alte Holler hat wahrscheinlich auch dafür gesorgt, dass die beiden falschen Finanzbeamten im Archiv die heikelsten Akten zum Kopieren gaben, und dann hat er die Kopierfirma heimgesucht, um die Akten abzufackeln«, sagte Stachelmann. »Keine schlechte Idee. Die hatten Angst, ich würde ihnen in Berlin auf die Schliche kommen. Haben Sie überprüft, ob Holler junior mit seinem Vater auf Mallorca telefoniert hat?«
    »Ja«, sagte Taut. »Gestern. Natürlich nichts. Wir können dem Junior nichts anhängen. Es sei denn, eines seiner Erpressungsopfer packt aus. Etwa über diese dubiosen Rückzahlungen.«
    »Unwahrscheinlich«, sagte Ossi. »Eher zahlt Holler was zurück. So Typen wie Enheim sind selten.«
    »Und mich wollte der alte Holler umbringen in Berlin, weil ich seinem Sohn was erzählt habe von meiner Recherchereise zum Bundesarchiv. Dem Alten muss die Sicherung durchgebrannt sein.«
    »Tut mir Leid«, sagte Ossi.
    »Das ist alles aufschlussreich, aber wir haben keine Beweise«, sagte Taut. »Wir können Maximilian Holler nicht an den Kragen. Würden wir es versuchen, es ginge schief. Und alle würden uns fressen, die Presse, der Polizeipräsident, der Kriminalrat. Maximilian Holler hat eine Frau und zwei Kinder verloren, und wir hängen ihm eine Geschichte an, die wir nicht einmal seinem Vater in allen Punkten beweisen könnten. Außerdem ist außer Mord alles lange verjährt. Manchmal ist dieser Beruf zum Kotzen. Ist das bei Ihnen auch so, Herr Stachelmann?«
    Stachelmann nickte. Aber aus anderen Gründen, dachte er. Er antwortete nicht.
    »Und warum hat Kohn nicht den alten Holler umgebracht, damals, als der offiziell noch lebte?«, fragte Carmen.
    »Ich weiß nicht«, sagte Stachelmann. »Mit der Rache ist das so eine Sache. Vielleicht ist ihm alles erst hochgekommen, als er glauben musste, dass der alte Holler auf Mallorca ertrunken ist. Kohn hatte es immer aufgeschoben, aus Angst, wegen Zweifeln, vielleicht wusste er lange nichts von dieser Geschichte.«
    »Und dann hat er mitgekriegt, dass der Sohn sich von dem geraubten Vermögen ein schönes Leben macht und den Heiland von Hamburg markiert. Wir haben Zeitungsausschnitte in Kohns Wohnung gefunden. Er hat alles gesammelt, was er über Maximilian Holler fand. Ich glaube, dass ihn erst die Heuchelei von Holler junior zum Mörder gemacht hat.« Taut erhob sich. »Man kann es sich doch gut vorstellen, es ist eine abstruse Ungerechtigkeit.«
    Er streckte Stachelmann die Hand hin. »Ich habe Ihnen zu danken, Herr Dr. Stachelmann.«
    Stachelmann war die Szene peinlich. Er zögerte, dann gab er Taut die Hand.
    »Es ist eine Sauerei, eine Riesensauerei«, sagte Carmen.
    ***
    Am Abend saß er bei seinen Eltern im Wohnzimmer.
    »Du bist gekommen, es ist gut«, sagte sein Vater. »Ich denke, du hast nun verstanden, was ich dir bei unserem letzten Gespräch gesagt habe.«
    »Ich habe es verstanden«, sagte Stachelmann. »Ganz und gar.« Er legte die Aktentasche auf seine Knie und zog den Ordner hervor. »Das ist so etwas wie die Handakte des Sturmbannführers Herrmann Holler. Da stehen viele Leute drin. Gestapobeamte, Finanzbeamte und Polizeibeamte.«
    »Ach«, sagte sein Vater.
    »Du stehst auch drin. Der Eintrag stammt aus dem Jahr 1941 oder 42, er liegt jedenfalls zwischen Seiten aus dieser Zeit. Da steht Stachelmann k. v. dienstverpflichten. Dahinter ist ein Haken. Du musstest nicht an die Front, und dafür hast du etwas für Holler getan. Darf ich diesen Eintrag so verstehen?«
    Sein Vater schaute ihn lange schweigend an.
    »Soll ich euch einen Wein bringen?«, fragte die Mutter. Sie stand in der Tür, hatte wohl mitgehört. Sie erhielt keine
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