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Mann Ohne Makel

Titel: Mann Ohne Makel
Autoren: Christian Ditfurth
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Ossis Drängen zu entziehen. Und wenn er dann auf einer Veranstaltung war, dann gab es nichts anderes mehr, nur noch den Kampf um die richtige Linie. Da war er dann nicht weniger entschlossen als Ossi. Der Stich raste den Rücken hinunter in die Beine. Er schnappte nach Luft, dann ging er in größeren Schritten weiter, auf kleinem Platz, hin und her, hin und her. Er durfte Kohns Haustür nicht aus dem Blick lassen. Es war nicht viel los auf der Straße, aber wie schnell konnte Kohn unbemerkt verschwinden, wenn Stachelmann nicht aufmerksam beobachtete. Und Kohn durfte ihn nicht sehen.
    Je länger er wartete, umso überflüssiger erschien es ihm. Wenn Kohn jetzt irgendwo hinlief, dann wahrscheinlich zum Laden um die Ecke. Wohin denn sonst? Dann würde Stachelmann morgen wieder hier auf ihn warten. Aber dann glaubte er wieder, Kohn würde heute noch etwas tun. Die Augen hatten Kohn verraten. Was immer Kohn vorhatte, er war verwickelt in diese Mordgeschichte. Und Stachelmann würde ihm folgen, solange ihm die Semesterferien Zeit ließen dazu. Da fiel ihm seine Habilitation ein. Eigentlich sollte er am Schreibtisch sitzen und seine Akten sortieren. Immerhin, tröstete er sich, immerhin war der Berg der Schande zerstört. Immerhin hatte er manche Akten gelesen, als er die verschwundenen Briefe aus Pohls Büro suchte. Der Berg war ihm nicht mehr so fremd wie zuvor. Eigentlich war es gar kein Berg mehr.
    Fast hätte er ihn übersehen. Kohn verließ das Haus, in der Hand eine Plastiktüte. Er ging in Richtung Mittelweg. Stachelmann humpelte ihm hinterher, er achtete darauf, den Abstand groß genug zu halten. Kohn schaute sich nicht um. Stachelmann folgte ihm zum Dammtorbahnhof. Kohn kletterte schnell die Treppe zu den Gleisen hoch. Auf dem Bahnsteig blieb er stehen und wartete auf einen Zug. Stachelmann stand auf der Treppe, bis er sich in einem Pulk von lärmenden Leuten nach oben schieben ließ. Einer von ihnen blies in eine Trompete, es schmerzte in den Ohren. Er wartete in Kohns Rücken. Eine S-Bahn fuhr vor, Richtung Blankenese. Kohn stieg ein, Stachelmann nahm den Wagen hinter ihm. Durch das Fenster der Verbindungstür zwischen den beiden Wagen sah er Kohn von hinten. Der alte Mann saß auf der rechten Seite, neben einem jungen Mädchen mit kleinen Kopfhörern in den Ohren. Stachelmann stand am Fenster der Verbindungstür. Vor jedem Halt schaute er, ob Kohn sich bewegte. Auf der Bank am Wagenkopf lag ein Betrunkener. Er schnarchte, dann öffnete er die Augen, rülpste, es sabberte braun aus seinem Mund. Der Mann stank nach Schnaps und Schmutz. Sein wirres Haar war verdreckt. Stachelmann wurde übel.
    Kurz bevor sie in den S-Bahnhof Klein-Flottbeck einliefen, stand Kohn auf, die Plastiktüte in der Hand. Er ging zur Tür, als der Zug hielt, öffnete er sie. Kohn stieg die Treppe hinunter und ging Richtung Elbchaussee. Stachelmann erinnerte sich, hier war er mit Ossi gewesen, als sie Holler besucht hatten. Kohn ging in die Holztwiete, etwa zweihundert Meter vor Hollers Villa blieb er stehen. Dann ging er zur Baustelle auf der anderen Straßenseite, dort arbeitete jetzt niemand mehr. Zielsicher steuerte er eine Lücke im Zaun an und stellte sich hinter einen Bau-wagen. Stachelmann schlich sich durch die Lücke, er nutzte die Deckung des Bauwagens und robbte dann hinter einen Busch in Kohns Rücken. Er war nur wenige Meter entfernt von Kohn. Der starrte mit einem Fernglas auf Hollers Grundstück, es war von hier aus gut einzusehen. Das Licht war weich an diesem frühen Abend, es spiegelte sich gelb in Fenstern. Vögel zwitscherten. Irgendwo lief ein Rasenmäher. Kohn stand starr auf seinem Platz und schaute auf das Grundstück.
    Es blitzte von der Villa, die Terrassentür öffnete sich. Gleichzeitig fuhr ein Taxi an der Baustelle vorbei. Gegen das Licht war nicht zu erkennen, ob es einen Fahrgast beförderte. Eine Frau betrat die Terrasse, an der Hand ein Kind. Kohn griff in seine Plastiktüte, dann hatte er ein Gerät in der Hand, mit einer langen Teleskopantenne.
    Erst dachte Stachelmann, es wäre ein Radio, dann erkannte er, es war eine Fernbedienung, schwarz. Stachelmann spürte, wie die Spannung ihn ergriff. Die Knöchel schmerzten, er konnte kaum stehen. Erst lahmte ihn die Überraschung, dann sah er es. Ein Modelljeep fuhr auf die Frau und das Kind zu. Beide hatten den Rasen betreten. Das Kind bemerkte den Jeep zuerst. Es zeigte mit dem Finger auf ihn und sagte etwas. Die Frau schüttelte den Kopf, dann sah auch sie
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