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Mann mit Anhang

Mann mit Anhang

Titel: Mann mit Anhang
Autoren: Gitta von Cetto
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Augen über die Stühle und Tische gleiten. Als Goggi ihm die
Arme von hinten um den Hals legte, drehte er den Kopf langsam wie eine
Schildkröte nach rückwärts, und sein altes Gesicht verzog sich zu tausend
fröhlichen Lachfältchen. Dann sprang sein Blick zu Nico hinüber, dessen Arm auf
Goggis Schultern ruhte. »Aha«, sagte er nur.
    »Das ist Nico«, sagte Goggi
erregt. »Ich habe dir viel von ihm erzählt. Ich möchte, daß du ihn
kennenlernst.«
    Nico verbeugte sich leicht und
ergriff Uckermanns Hand. Er fühlte sich nicht ganz wohl unter dem forschenden
Blick des alten Mannes und hätte viel darum gegeben, wenn er an Stelle des
roten Sommernikis ein weißes Hemd mit korrekt gebundener Krawatte getragen
hätte. »Ich freue mich«, sagte er und lächelte.
    »Abwarten.«
    Nico deutete auf einen Tisch.
»Wir sitzen hier hinten in der
    Ecke.«
    Paul Uckermann steuerte wortlos
auf den Tisch zu. »Ihr trinkt Coca-Cola«, bemerkte er mit mißbilligend
zusammengezogenen Brauen.
    »Ja.« Goggi warf das Haar
zurück und nahm neben Uckermann Platz. »Wenn hart getanzt wird, immer. Da wird
einem schwummrig bei Alkohol.«
    »So? Wir sind aber nicht
beisammen, um hart zu tanzen, sondern um uns vernünftig zu unterhalten.
Halbwegs vernünftig«, schränkte er ein. Er hielt nach der Kellnerin Ausschau
und rief mit einer Stimme, die selbst einer dickfelligen Münchner Bedienung in
die Knochen fuhr: »Hilfe! Alter Mann verdurstet!«
    Die Kellnerin erschien mit der
Weinkarte, und er bestellte nach sorgfältigem Studium eine Flasche Burgunder.
Es war die teuerste Flasche, die auf der Karte des kleinen Schwabinger Lokals
stand. »Habt ihr eine Ahnung, wie das Zeug hier schmeckt?« fragte er Goggi.
    Goggi schüttelte den Kopf.
»Nein, wir trinken bestenfalls Schoppenweine, wir sind doch reicher Leute arme
Kinder«, sagte sie mit einem traurigen Lächeln.
    Die Kapelle hatte einen
Cool-Jazz begonnen, als sich Uckermann Nico mit den Worten zuwandte: »Wenn ich
recht verstehe, wollen Sie Goggi heiraten. Auf nichts hin! Wie stellen Sie sich
das vor?«
    Nico hatte die Lippen zwischen
die Zähne gezogen und dachte eine Sekunde nach. Wie konnte Goggi ihn gänzlich
unvorbereitet in diese Prüfung hineinhetzen?
    »Es ist komisch«, sagte er
schließlich, »man findet nichts dabei, wenn junge Menschen ohne einen roten
Heller in der Tasche Weltreisen machen, man findet es sogar großartig, aber
sobald von einer jungen Ehe gesprochen wird, will man die Fahrkarten sehen und
das Reisegeld und das große und kleine Gepäck, man will genau wissen, wie man
in ein, zwei oder fünf Jahren lebt. Man will einfach einen Garantieschein für
eine bombensichere Finanzierung haben.«
    Paul Uckermann hörte sich die
lange Rede aufmerksam an und wiegte das mächtige Haupt hin und her. »Der
Vergleich mit der Weltreise per Anhalter ist nicht schlecht. Sie wollen also
immer jemand finden, der Sie ein Stück mitschleift und womöglich noch seinen
Proviant mit Ihnen teilt, mit Ihnen und Ihrer Frau. Ich würde sagen, es ist ein
praktischer, aber ein schmarotzerhafter Gedankengang. Man heiratet nicht per
Anhalter.«
    Nicos Stirn lief dunkel an. »So
war es nicht gemeint«, knirschte er.
    »So klang es aber.«
    Uckermann lehnte sich behaglich
zurück. Er schien willens, dieses Thema noch weiter auszuspinnen.
    »Was sagt eigentlich Goggi zu
Ihrer Theorie? Schauen Sie mich nicht so wild an, Herr Orlano, Sie müssen mir
schon zubilligen, daß mich das interessiert.«
    »So?« Nico zerquetschte eine
Salzstange zwischen Daumen und Zeigefinger.
    Goggi beobachtete den Zweikampf
der beiden Männer mit wachem, sportlichem Interesse. Es kam jetzt sehr darauf
an, daß Nico sich gut hielt.
    Uckermann stemmte sich gegen
die Lehne seines Stuhles, die unter dem Druck seines mächtigen Körpers zu
bersten drohte. »Ich glaube, ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig, warum mich
alles, was mit Goggi zusammenhängt, so brennend interessiert: ich liebe nämlich
dieses Mädchen. Können Sie sich das vorstellen?«
    Es folgte eine kurze Pause.
Nicos Augen sahen aus, als lodere aus ihnen eine Flammengarbe. »Ich hoffe, Sie
scherzen, Herr Uckermann, sonst müßte ich nämlich, so leid es mir tut...«
    »Mir alle Knochen im Leib
zerbrechen? Ja? Das wollten Sie doch sagen. Aber ich bin ein alter Mann, und
Sie werden nicht mit unfairen Mitteln kämpfen. Außerdem liebe in Goggi
platonisch als ein lebenslanger Freund des Hauses, als ein Maler und — wie ein
Großpapa, wenn Sie es so nennen
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