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Mann mit Anhang

Mann mit Anhang

Titel: Mann mit Anhang
Autoren: Gitta von Cetto
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heute funkengeladen. Es würde ein
Gewitter geben.
     
     
     

3
     
    Die Kerze, die vor Goggi und
Nico brannte, steckte in einer Chiantiflasche. Dicke, träge Tropfen perlten
über den prallen, bastumflochtenen Bauch. Goggi löste das heiße Wachs ab und
knetete es zwischen den hübschen Fingern mit den langen, abgerundeten Nägeln.
»Du siehst heute so wild entschlossen aus, Nico, dafür liebe ich dich noch mehr
als sonst«, sagte sie nachdenklich.
    »Warum hast du diesen Mann
herbestellt?« fragte er.
    »Paul ist nicht >dieser
Mann<, Paul ist eine Sache für sich, eine Sondernummer. Du wirst ihn ja
kennenlernen. Er muß dich mögen, er muß dich lieben lernen, verstehst du.«
    »Ich will nicht von einem
Freund deines Vaters geliebt werden, ich will von dir geliebt werden, mein
ganzes Leben«, murmelte er.
    Sie saßen dicht nebeneinander
und berührten sich mit der Schultern, und prickelnde Ströme liefen durch sie
hindurch wie kleine, elektrische Stöße. Sie liebten sich sehr; es tat fast weh.
Goggi wagte nicht, Nico anzusehen. Sie wollte in diesem Augenblick gar nicht
wissen, wie hübsch und wie trotzig, wie leichtfertig und doch wie verläßlich er
aussah. »Es ist entsetzlich mit uns, wie kann man sich nur so gern haben im
zwanzigsten Jahrhundert«, stöhnte sie.
    Nico stand auf und zog sie an
ihren beiden Händen hoch. »Komm, mein roter Engel, wir tanzen, dann wird uns
besser.«
    Sie tanzten Gesicht an Gesicht.
Goggi mußte sich ein wenig strecken und Nico sich hinunterbeugen, damit ihre
Wangen sich berührten. Sie waren ganz benommen von der Musik und dem Nahsein
ihrer Körper, ganz benommen von der Tanzlust und der großen, großen Trauer über
die Unvernunft ihrer Väter.
    »Ich habe Papa gesagt, du
würdest demnächst um meine Hand anhalten«, murmelte Goggi.
    »Er wird mich hinauswerfen.«
    Sie nickte ernst. »Ich weiß,
aber es wird sich nicht ändern lassen, wir sind eben ein tragisches Paar.«
    »Romeo und Julia, Nico und
Goggi.«
    »Ich kann mir vorstellen, wie
widerwärtig diese Unterhaltung mit Papa verlaufen wird. Stocknüchtern. Er wird
dich fragen, womit du mich ernähren willst, und du wirst ihm antworten — —«
    »Mit Spaghetti und Tomatensoße
und mit Parmesan und Casata.«
    »Jawohl.« Goggi seufzte. »Und
dann wird er weiterbohren und wissen wollen, wovon du die Spaghetti, die
Tomaten und den Parmesan kaufst, er wird dich wie einen Schuljungen prüfen, und
in dieser Prüfung wirst du glatt durchfallen. Und du mußt mir ja auch was zum
Anziehen kaufen, du kannst mich doch nicht nackt laufen lassen. Und unsere
Kinder auch nicht.«
    Nico protestierte. »Die Kinder
schon, zunächst wenigstens. Bei uns in Italien gibt es weite Landstriche, wo
die Kinder bis in ihr zweites Jahr nackt herumlaufen.«
    »Das sind Elendsgebiete.«
    »Ich finde nackte Kinder sehr
hübsch.«
    »Aber nicht nackte Ehefrauen.«
    »O doch!«
    »Ich hasse dich, Nico. Du bist
zynisch, du liebst mich nicht. Ich will keinen Mann, dem meine Kleider schnuppe
sind und der meine Kinder erfrieren läßt.«
    Sie tanzten einen Rock’n’Roll.
Nico hielt sie mit seinen kräftigen Armen, und er zeigte seine schönen Zähne.
»Ich werde dich bei Schubert in Rom einkleiden, das weißt du doch, meine schöne
und einzige Geliebte. Und wenn du weiter so widerspenstig bist, werfe ich dich
über meine Schulter. Und zwar sofort.«
    »Über die linke, Nico, das
bringt Glück«, bat Goggi. Dann verging ihr der Atem, weil er sie so jäh an
seine Brust heranzog. »Oh, Goggolina«, flüsterte er. Sie tanzten jetzt wieder
Wange an Wange, Goggi mit dem brandroten Haar und Nico mit dem pechschwarzen
Wirrkopf.
    Plötzlich ging eine Bewegung
durch die Paare und pflanzte sich fort, als sei eine Robbe in einen engen
Karpfenteich geplumpst. Eine kleine, kugelköpfige Blonde, die gegen Nico und
Goggi gedrängt wurde, reckte den Hals. »Da kommt ein Großpapa, der ist wie ein
Panzer und macht uns alle nieder«, kicherte sie. Alle hielten Umschau nach der
Ursache der ungewöhnlichen Stauung.
    »Kaum zu glauben, aber da kommt
Hemingway«, sagte Nico und wies auf den Mann mit dem Stiftkopf und dem grauen
Stoppelbart, der seinen wuchtigen Körper quer durch die Tanzenden schob.
    »Das ist Paul«, erklärte Goggi
sanft. »Komm, ich möchte ihm zeigen, wo wir sitzen.«
    Paul Uckermann hatte sich
inzwischen bis zum anderen Ende der Tanzfläche durchgekämpft. In diesem
Augenblick hörte die Musik auf. Er stand schwer atmend und ließ den Blick
seiner scharfen
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