Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mann mit Anhang

Mann mit Anhang

Titel: Mann mit Anhang
Autoren: Gitta von Cetto
Vom Netzwerk:
wollen!«
    Goggi lächelte in den Rauch
ihrer Zigarette hinein. Sie genoß diesen Kampf um ihre Person sehr. »Du bist
wunderbar, wenn du eifersüchtig bist«, sagte sie traumverloren.
    Nico zerknüllte eine leere
Zigarettenpackung und sprang auf. »Ich hole mir ein paar Zigaretten«, murmelte
er. Während er der Bar zusteuerte, versuchte er sich zu erinnern, was Goggi ihm
alles von diesem Mann, den sie »unseren Paul« nannte, erzählt hatte. Er wußte,
daß er ein verschrobener Maler war, daß er zwanzig Kilometer außerhalb Münchens
in einem alten Bauernhaus wie ein einsamer, alter Adler horstete und mit seinem
eigenwilligen Pinselstrich viel Anerkennung und auch nicht gerade wenig Geld
erworben hatte. Ein Verrückter, ein kniffliger, alter Knabe, der in der Familie
Gutting ein gewichtiges Wort mitzureden hatte. Das war das Resultat seiner
Überlegungen, nachdem er an der Bar schnell einen Campari gekippt hatte. Er
ging zurück an den Tisch, an dem Uckermann und Goggi sich lebhaft miteinander
unterhielten.
    »Wo waren wir vorhin
stehengeblieben?« wandte sich Uckermann ihm zu.
    Nico fühlte sich mutig und
kühn. Der rasch hinuntergestürzte Campari tat seine Wirkung. »Sie wollten von
mir wissen, auf welcher Grundlage ich Goggi heiraten möchte.«
    »Sie wollten sagen: eine
Familie gründen.«
    Goggi lachte in sich hinein und
nippte an ihrem Glas, ohne es von den Lippen abzusetzen. »Familie gründen,
finde ich übertrieben«, warf sie ein.
    Uckermann funkelte sie an.
»Schweig, du Rotschopf. Man gründet immer eine Familie, wenn man sich liebt. Da
hast du wohl im Biologieunterricht gefehlt, als das drankam.« Er wandte sich
Nico zu. »Nun, wie sehen Ihre Kalkulationen aus?«
    »Kalkulationen? Ich kann nicht
kalkulieren«, stieß Nico zornig hervor. »Kalkulieren kann mein Vater. Und
vielleicht können Sie es. Ich kann nur fotografieren, verstehen Sie.«
    »Ich hätte Sie auch verstanden,
wenn Sie nicht so geschrien hätten. Sie behaupten, Sie können fotografieren.
Ich behaupte, ich kann malen. Leider muß man aber auch eine andere Kunst
verstehen: man muß Geld machen können.«
    Die Musik hatte eine Pause
eingelegt, und Uckermann dämpfte seine Stimme. »Geldmachen ist ein Nebenprodukt
der Kunst. Ich kann es. Und Sie?«
    »Wenn ich so alt bin wie Sie,
mache ich einen Haufen Geld. Haben Sie Geld gemacht, als Sie noch so jung waren
wie ich, Herr Uckermann?«
    Uckermann wurde ernst. »Leider
nein, sonst hätte mein Leben ganz anders ausgesehen...« Die Hand, die er auf
Goggis Arm legte, war wie aus Eichenholz geschnitzt. »Tanz mal eine Runde mit
ihm, er ist ganz rabiat. Die Turnerriege ist schon wieder angetreten.« Damit
wies er mit dem Kinn auf die jungen Leute, die zum Rhythmus der Musik den Boden
stampften.
    Goggi sprang auf. »Komm, Nico.«
    »Mir gefällt die Art nicht, wie
der alte Mann dich ansieht. In welchem Verhältnis stehst du eigentlich zu ihm?«
fragte Nico beim Tanzen.
    »Er ist Papas bester Freund.
Ich glaube, sie müssen vor vielen Jahren mal etwas miteinander ausgefressen
haben. Paul gibt es in unserer Familie, solange ich denken kann. Er muß ein
großer Verehrer meiner Mutter gewesen sein. Es existiert ein wunderbares Bild,
das er von ihr gemalt hat. Du mußt es dir mal ansehen.« Sie blickte zu ihm
hinüber. »Er hat kein Alter. Mir kommt er immer vor wie ein Baum, der immer
wuchtiger und stärker wird.«
    Nico tanzte schweigend. Sein
Kinn berührte Goggis Haar. Er äugte zu Uckermann hinüber, der wie ein Klotz
dasaß, die Fäuste auf den Tisch gelegt und den mächtigen Schädel etwas zwischen
die Schultern gezogen. Der gerade Nasenrücken stand wie ein Balken in seinem
Gesicht, und in den Augen saß ein unbestimmtes Lächeln, ein wenig traurig, ein
wenig ironisch. Aus irgendeinem Grund stellte Nico sich plötzlich Uckermanns
und Goggis Gesicht übereinanderfotografiert vor und entdeckte plötzlich eine
bestürzende Ähnlichkeit zwischen den Zügen des alten Mannes und denen des jungen
Mädchens. Aber im nächsten Augenblick war dieses Bild verwischt, und es blieb
nur die Feststellung, daß beide dieselbe Augenfarbe besaßen, dieses kraftvolle
Grünblau mit einem merkwürdigen Flimmern darin, wie man es bei altem Glasfluß
findet, Augen, die zu Himmel und Erde paßten und in dem rauchigen Dämmerlicht
dieses Raumes ein seltsames Eigenleben führten.
    »Ihr seid ein prachtvolles
Paar«, empfing sie Uckermann, »ein Genuß für einen Maler. Aber warum eilt es
mit dem Heiraten so? Ihr seid
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher