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Mann kocht

Mann kocht

Titel: Mann kocht
Autoren: Ludger Fischer
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Reinigung des Geräts mit dreimal 60 Sekunden gegenüber dem eigentlichen Einsatz von 20 Sekunden unproportional lang dauert, kann echte Männer nicht stören. Das ist schließlich bei fast allen Männerspielzeugen so.
    Um auf’s leidige Thema Geld zu sprechen zu kommen: Das nackte Grundgerät eines Pacojets, mit dem allein man überhaupt nichts anfangen kann, kostet, halten Sie sich fest, derzeit 3378 Euro (Preisliste 2011). Da kommen natürlich noch ein paar unbedingt notwendige Maschinenteile hinzu: Pacossierflügel (so nennt der eitle Hersteller das rotierende Messerchen), Spritzschutz, Schutzbecher, Spüleinsatz, Reinigungsbürsten, Becherdichtung, Spatel, Betriebsanleitung (einzeln berechnet mit 14,50 Euro!), ein Rezeptbuch, Pacossierbecher, Becherdeckel, Zweiblattmesser, Vierblattmesser, Schlagscheibe und ein Messerhalter mit Magnet. Zusammen für 1944,50 Euro. Gerät und Teile summa summarum 5322,50 Euro. Das alles natürlich exklusive Versand und sofort zu zahlen. Kein Wunder, dass Thomas Rombach das Gerät auf dem Gebrauchtmarkt erstanden hat. »2000 Euro«, schwärmt er mir vor, »ein echtes Schnäppchen!«
    Sein erstes Sorbet fand er selbst: »Na ja, nicht übel.« Es komme eben auf die Zutaten an. Mit fertigem Fruchtmark habe er die besten Ergebnisse erzielt. Diese Sorte Hightech-Fertignahrung (meine Polemik) sei günstig und werde, so seine Insiderinformation, auch in der Sternegastronomie verwendet. Ich hab’s befürchtet. »Reine Frucht« sei das, »mit nur neun Prozent Zucker«. Na ja, neun Prozent Zucker sind eben fast neun Prozent Preisersparnis. Thomas Rombachs bisherige Eigenkreationen sind Snickers-Milchspeiseeis, Sorbets aus Minze, Cassis, Mango, Banane-Joghurt und, im herzhaften Bereich, Bärlauchpesto, Rauchlachscreme mit Käse, Paprikasoßen, alles Pürees, die er mit einem normalen Mixer so nicht hätte herstellen können. »Faszinierend«, schwärmt er, »was man damit alles machen kann!«
    Ich wundere mich, wofür Techniker sich so begeistern können. Und wie kommen diese Speisen bei seinen Freunden und Bekannten an? »Nicht alle interessieren sich für den Hightech-Kram«, klingt er etwas traurig, »die Hauptsache ist für sie, es schmeckt.« 42
    Banausen! Mit seinem Pacojet ist Thomas Rombach auf jeden Fall auf der sicheren Profiseite. Kein Mensch wird ihn mehr als Hobbybrutzler bezeichnen. Selbst ein echter Kerl wie Anthony Bourdain hat einen Pacojet. 43 Also bitte!
    Der Pacojet (ich weiß gar nicht, ob der Name rechtlich geschützt ist und ich dahinter jeweils ein kleines R im Kreis schreiben sollte), dieses Maschinchen also ist, auch wenn es wie ein Laborgerät aussieht, tatsächlich für Küchen gemacht. Beim Kosten-Nutzen-Verhältnis schneidet es jedoch vergleichsweise schlecht ab, zumindest nach den Maßgaben der Technikfetischisten. Zu billig, zu nützlich, zu nachvollziehbar.
    Wer als Küchenkasper wirklich dick auftragen will, braucht einen Rotationsverdampfer . Ich wusste bis vor Kurzem nicht einmal, dass es so etwas gibt. Ich bin schließlich kein Chemiker, kein Laborant und, das hoffe ich zumindest, nicht einmal ein Küchenkasper. Als solcher würde ich mich auf der Suche nach dem nächsten Kick nämlich nicht in anderen Küchen und auch nicht auf Märkten herumtreiben, sondern in Chemielaboren. Da stehen überall Rotationsverdampfer herum, tun gute und sinnvolle und nützliche Arbeit und bereichern die Welt mit Erkenntnissen darüber, was passiert, wenn man etwas destilliert. »Das muss ich haben!«, scheint irgendein auf Innovation bedachter Koch beim Stöbern in einem Labor ausgerufen zu haben. »Ach das Ding«, wird der befreundete Chemiker da gesagt haben, »steht hier schon seit Jahren herum. Weiß gar nicht mehr, wozu wir das mal angeschafft hatten. Nimm’s mit, aber pass auf, wenn sich darin Alkohol zu stark konzentriert. Kann explodieren.« »Nein, nein, kein Alkohol«, wird da der experimentierfreudige Koch geantwortet haben, »mir schweben ganz andere Aromenexplosionen vor.« Echte Männer unter Köchen reden so.
    Ein Rotationsverdampfer besteht aus einem Heizbad, einem Rotationsantrieb mit Verdampferkolben, einem Kühler, einem Vakuumsegment und einem Auffangkolben. Lösungen können damit zu Aromakonzentraten eingedampft werden. Für Molekularköche und solche, die es gerne wären, »ein Traum«. So ein Traum ist allerdings nicht ganz billig, im Laborbedarfshandel sind solche Geräte jedoch gebraucht schon ab 1000 Euro zu haben.
    Aber wir sind noch nicht
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