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Manche Maedchen raechen sich

Manche Maedchen raechen sich

Titel: Manche Maedchen raechen sich
Autoren: Shirley Marr
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Belohnung dafür, wenn wir die Prüfung gleich beim ersten Mal bestehen würden. Wir könnten am Embassy Hotel starten und die letzten bekannten Orte abklappern, an denen Richey Edwards auf dem Weg zur Severn Bridge gesehen worden war: den Busbahnhof in Newport, das King’s Hotel, seine Heimatstadt Blackwood.
    Ich stelle mir vor, wie wir am Ende unserer Reise auf der Brücke stehen und hinunterschauen. Neil nimmt meine Hand, falls es windig ist, denn sonst weht mich der Wind wie eine Blume davon. Und wenn der Wind mir das Haar zerzaust, streicht Neil es mir zurück hinters Ohr.
    Ich spiele noch eine Runde Stillsitzen. Dieses Mal schaue ich sofort an die Decke. Nicht, weil ich es lustig finde, sondern um die Tränen zurückzuhalten. Aber sie kommen trotzdem.
    Auch wenn ich mich bisher verstecken konnt e – jetzt gelingt es mir nicht mehr. Welche Art von Würde ich vorher auch immer besessen habe, sie ist von mir abgefallen. Nun bin ich nackt und die ganze Welt kann es sehen. Ich öffne mich wie eine Blume ihre Blüte. Es ist gut, sich zu öffnen. Ehrlichkeit ist eine Tugend. Und die Tränen fließen.
    Als meine Mutter kommt, versuche ich, sie nicht anzusehen. Sie trägt einen tadellosen schwarzen Armani-Hosenanzug und ich will nicht, dass sie mir sagt, wie furchtbar ich aussehe und dass ich ihren guten Ruf ruiniere.
    Ich habe nicht erwartet, dass sie meinen Kopf in ihre Hände betten und mir einen Kuss auf die Stirn geben würde.
    „Du trägst heute gar keinen Rock“, bemerke ich vorsichtig. Ich will meinen Schutzschild nicht ablegen.
    Mir fallen all die gemeinen Dinge ein, die ich ihr an den Kopf geworfen habe, wenn es um ihren Klamottengeschmack ging.
    „Hosenanzüge sind gerade total in“, antwortet meine Mum und streicht sich selbstbewusst über die Hose. „Wir sollten dich so schnell wie möglich hier rausholen, was meinst du?“
    Dass ich sie gestern und vorgestern weggeschickt habe, erwähnt sie mit keiner Silbe. Ich fühle mich schlecht.
    „Mum“, sage ich, „ich wollte dir nur sage n … Danke, dass du dich um mich gekümmert hast, seit Dad nicht mehr da ist. Ich wollte nur, dass du das weißt.“
    Meine Mum, die eben noch ihre Aktentasche ausgepackt hat, hält plötzlich inne. Eine Träne rollt über ihre Wange. Sie wischt sie sich schnell vom Kinn.
    „Wie kommt’s?“, fragt sie.
    „Mir ist nur wieder eingefallen, was ein sehr kluger Freund mal zu mir gesagt hat, und ich glaube, er hat Recht.“
    Zwei Wege führen hinaus aus East Rivermoo r – der eine durch das große Tor, der andere über das Wasser, das irgendwann im Meer mündet. Die meisten von uns werden East Rivermoor nie verlassen. Die, die es doch tun, haben sich bewusst dafür entschieden.
    Ich wünschte, ich hätte seine Hand festgehalten. Auf dieser Brücke ist es immer windig. Dann wäre er nicht gegangen, hätte gar nicht gehen können, nicht gehen dürfen.
    Neil, ich brauch dich doch so sehr. Hab dich immer gebraucht.
    Meine Mum verzieht das Gesicht. Ihre Mundwinkel wandern nach unten. Ich entdecke Krähenfüße in ihren Augenwinkeln und eine Falte gräbt sich in ihre glatte Stirn. Noch eine Träne rollt ihr über die Wange und ihre Wimperntusche verläuft. Auf einmal sieht sie ganz hässlich aus. Und zugleich so schön wie nie zuvor.
    „Ich hab was für dich“, bringt sie mühsam hervor. Dann zieht sie ein Kleid aus der Tasche. Es leuchtet in allen Farben des Feuers.
    „Aurelio Costarella!“, rufe ich und halte es in die Höhe. Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal so ein edles Kleidungsstück gesehen habe. Ich spiele kurz mit dem Gedanken, es sofort anzuziehen.
    „Es ist deine Größe. Ich schenke es dir. Die hören einfach nicht auf, mir Klamotten zu schicken. Aber du sollst ja auch hübsch aussehen für den ganzen Medienrummel da draußen.“
    „Welcher Medienrummel?“
    „Wie? Du weißt gar nichts davon? Draußen wartet ein Haufen Leute darauf, einen Blick auf dich zu erhaschen.“
    Meine Mum schiebt mir etwas über den Tisch zu. Es ist eine dieser trashigen Frauenzeitschriften, die meine Mum immer am Kiosk ersteht, kaum dass sie erschienen sind.
    Auf dem Cover steht derselbe Kram drauf wie imme r – Promi X datet Promi Y und Wie-hieß-sie-gleich-noch-mal hatte mal wieder einen heftigen Drogenabstur z – mit dem einzigen Unterschied, dass dieses Mal meine Mutter groß darauf abgebildet ist.
    Ich lese die Überschrift: Jetzt spricht die Star-Anwältin: Meine Tochter ist unschuldig!
    Ich starre meine Mutter mit
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