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Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben
Autoren: Jessica Warman
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hält inne. »Du bist doch ertrunken, oder?«
    Ich schüttle den Kopf. Es ist das erste Mal, dass ich mich frage, wie ich umgekommen bin. »Ich … Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich erinnere mich nicht mal daran, eingeschlafen zu sein. Es ist, als wäre ich plötzlich aufgewacht, weil ich draußen ein Geräusch gehört habe.« Ich zögere. »Ich hätte gar nicht ertrinken können, Alex. Verstehst du? Es ist einfach nicht möglich; ich bin eine gute Schwimmerin. Ich meine, du weißt, dass wir praktisch am Strand aufgewachsen sind.«
    »Was ist dann geschehen?«, fragt er.
    Ich starre meinen Leichnam an. »Keine Ahnung. Ich kann mich an nichts erinnern. Es ist, als hätte ich Amnesie oder so was.« Ich sehe ihn an. »Ist das normal? War das bei dir auch so? Ich meine, erinnerst du dich an irgendwas von dem, das war, bevor du … gestorben bist?«
    »Ich erinnere mich jetzt an mehr als damals, unmittelbar danach. Nachdem ich … Nachdem mir das zugestoßen ist«, sagt er. »Ich bin ja kein Fachmann oder so, aber ich vermute, es ist normal, dass das Gedächtnis anschließend für eine Weile ein bisschen verschwommen ist. Sieh’s doch mal so«, erklärt er. »Nachdem sie irgendeine Art von Trauma erlitten haben, haben die Menschen für gewöhnlich Gedächtnisschwund, richtig?«
    Ich zucke die Schultern. »Ich schätze schon.«
    »Nun, der Tod ist ein ziemliches Trauma, meinst du nicht?«
    »Der Tod. Scheiße.« Ich beiße mir auf die Unterlippe und sehe ihn an. »Tut mir leid, Alex. Ich kann’s einfach nicht glauben. Das hier ist ein Traum, oder? Ich schlafe, das ist alles. Dich gibt es nicht wirklich.«
    Er starrt mich an. »Wenn es ein Traum ist, warum kneifst du dich dann nicht einfach?«
    Ich starre zurück. Ich fühle mich so klein und so unsagbar traurig, dass ich kaum sprechen kann. Doch ich schaffe es, ein bisschen den Kopf zu schütteln, ein einzelnes Wort herauszuzwingen. »Nein.«
    Ich will mich nicht kneifen. Denn ich habe Angst, dass ich nicht aufwache, wenn ich es tue. Tief in meinem Innern weiß ich, dass ich nicht aufwachen werde.
    Ich nehme einen tiefen Atemzug. Ich kann fühlen, wie sich meine Lunge mit Luft füllt; ich fühle mich lebendig.
    »Du bist definitiv eine Tote.« Er ist so schnippisch, so sachlich, was das Thema betrifft, dass ich gute Lust habe, ihm eine runterzuhauen.
    »Okay. Nehmen wir an, nur um das mal wirklich durchzudiskutieren, das alles wäre real. Wenn ich tatsächlich tot bin, warum beweist du es mir dann nicht?« Ich kneife die Augen zusammen und schaue ihn trotzig an. »Im Ernst.«
    Er ist amüsiert. »Der Anblick deiner im Wasser treibenden Leiche ist dir also nicht Beweis genug?«
    »Das behaupte ich ja gar nicht. Ich sage nur, dass es dafür eine andere Erklärung gibt. Es muss sie einfach geben.«
    »Leg mir deine Hand auf die Schulter«, sagt er.
    »Ich dachte, du willst nicht, dass ich dich berühre.«
    »Will ich auch nicht. Jetzt mache ich eine Ausnahme.«
    »Warum willst du nicht, dass ich dich anfasse?«
    »Würdest du einfach … «
    »Nein. Ich will es wissen, Alex. Warum willst du nicht, dass ich dich anfasse?« Und dann kann ich nicht anders; die Worte sprudeln nur so aus mir heraus, bevor ich die Chance habe, darüber nachzudenken, was ich da sage. »Ein Junge wie du! Du bist ein Niemand. Ich bin Elizabeth Valchar . Jeder Kerl würde sonst was dafür geben, wenn ich ihn anrühre.«
    Warum behandle ich ihn so? Wir beide sind ganz allein hier, ich habe niemanden sonst auf der Welt, mit dem ich reden könnte, und ich bin derart gemein zu ihm.
    Er sieht mich lange Zeit an, doch er antwortet nicht. Ich weiß, dass ich arrogant klinge, aber mir wird klar, dass das, was ich sage, stimmt. Es stimmt – ich bin hübsch. Sogar schön.
    Alex starrt an mir vorbei aufs Wasser. »Du sagst, du fühlst dich, als hättest du Amnesie. Gedächtnisschwund. Doch es ist interessant, woran du dich erinnerst. Du weißt, dass ich ein Niemand war. Du weißt, dass du beliebt warst.« Er richtet seinen Blick wieder auf mich. »Woran erinnerst du dich sonst noch?«
    Ich schüttle den Kopf. »Keine Ahnung.«
    Er zuckt die Schultern. »Spielt auch keine Rolle. Irgendwann fällt’s dir wieder ein.«
    »Was soll das heißen?«, will ich wissen.
    Doch er antwortet mir nicht. Stattdessen sagt er: »Tu’s einfach, Liz. Leg deine Hand auf meine Schulter.«
    Also tue ich es. Dann schließt er die Augen, was mich dazu bringt, es ihm gleichzutun. Ich habe das Gefühl, als würde mein ganzer
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