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Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben
Autoren: Jessica Warman
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sagt Richie. »Ich warte schon seit einiger Zeit auf eine Gelegenheit, unter vier Augen mit Ihnen zu sprechen. Ich möchte Ihnen sagen, dass es mir leidtut. Wenn ich Liz nicht zu dieser Werkstatt gebracht hätte, um ihren Wagen reparieren zu lassen, hätte sie Vince Aiello niemals kennengelernt. Dann wäre vielleicht alles anders ausgegangen.« Er starrt auf den Pier. »Manchmal habe ich das Gefühl, als sei das alles meine Schuld.«
    »So was darfst du nicht denken«, sagt mein Dad. »Jetzt ist es vorüber. Du kanntest nicht alle Einzelheiten. Du hast bloß versucht zu helfen.«
    Richie beschattet seine Augen mit der Hand gegen die helle Sonne, als er meinen Dad anschaut. »Trotzdem. Es tut mir leid. Ich wollte, dass Sie wissen, dass ich jeden Tag an sie denke. Was zwischen mir und Josie war, hatte keine Bedeutung. Ich habe mich von ihr bloß getröstet gefühlt, wissen Sie.« Er schüttelt den Kopf. »Es war dumm von mir, aber es ist die Wahrheit. Weil die beiden Halbschwestern waren …«
    »Das waren sie nicht«, unterbricht mein Dad, plötzlich munter.
    »Wie meinen Sie das?« Richie ist verwirrt. »Wir dachten alle … Ich meine, selbst meine Eltern dachten, Sie seien Josies Dad.«
    Mein Vater nimmt seinen Flachmann wieder auf und trinkt ein winziges Schlückchen. »Als ihr Kinder jung wart, gab es so etwas wie DNA-Tests noch nicht. Nicole sagte mir immer, sie sei sich nicht sicher, und als wir heirateten und Josies Vater so weit fortzog … Ich meine, er dachte mit Sicherheit, ich sei ihr Dad; ich weiß es nicht. Wir dachten alle, es sei besser, wenn wir es gar nicht genau wissen. Ich fand, Josie habe einen richtigen Vater verdient, also habe ich versucht, einer zu sein. Ich dachte, die Wahrscheinlichkeit, dass sie meine Tochter ist, sei groß genug. Aber nachdem … Nach ihrer Verhaftung habe ich einen Vaterschaftstest machen lassen.« Er schüttelt den Kopf. »Ist das zu fassen? All diese Jahre, und jetzt erfahre ich, dass sie nicht mein Kind ist.« Er nimmt noch einen Schluck und zuckt zusammen. »Liz hat den Gedanken stets geliebt, eine Schwester zu haben. Ironisch, nicht wahr?«
    Richie erwidert nichts darauf.
    »Dieser ganze Blödsinn, an den Josie glaubte: das Schicksal, dass Dinge aus einem bestimmten Grund geschehen … Josie dachte, sie würde etwas gewinnen, wenn sie Liz wehtut. Sie würde etwas bekommen, das ihr bestimmt war, was zur Hölle das auch immer sein sollte. Und wie sie sich an dich herangeschmissen hat. Als wolle sie genauso sein wie ihre Mom. Als ob es eine Rolle gespielt hätte oder in Ordnung gewesen wäre, selbst wenn sie meine Tochter gewesen wäre! Das war alles Schwachsinn. Es gibt kein Schicksal. Keine Seelenverwandten. « Mein Vater schaut sich um. »Es gibt bloß einen Haufen Toter.«
    Richie nimmt einen langsamen Atemzug. »Verzeihen Sie, Mr. Valchar, aber was das betrifft, muss ich Ihnen widersprechen. Liz war meine Seelenverwandte. Sie war das einzige Mädchen, das ich je geliebt habe. Ich wollte sie für alle Zeiten lieben. Ich werde sie für alle Zeiten lieben.«
    Mein Dad nickt. »Ich weiß, dass du das tun wirst. Genau wie ich.«
    Sie versinken in Schweigen. Ich schließe für einen Moment die Augen und denke an Richie. Er war vielleicht die Liebe meines Lebens, aber er hat noch sein ganzes Leben vor sich.
    »Wie geht es dir?«, fragt mein Dad. »Ich meine, ich weiß, dass es momentan schwer für dich ist, aber denkst du, du kommst damit klar?«
    Richie sieht aus, als wolle er am liebsten weinen. »Ich laufe viel«, sagt er, ohne die Frage direkt zu beantworten. »Das hilft mir dabei, den Kopf frei zu bekommen. Manchmal, wenn ich dort draußen bin, empfinde ich über lange Strecken keinen Schmerz. Dann gelingt es mir, ausnahmsweise einmal nicht an Liz zu denken.« Er hält inne. »Das hilft. Eine ganze Weile habe ich nicht geglaubt, dass ich damit klarkommen werde. Niemals. Doch jetzt denke ich … Ich denke, es ist möglich, darüber hinwegzukommen. Vielleicht, eines Tages.« Er betrachtet meinen Dad. »Was ist mit Ihnen, Sir? Kommen Sie zurecht?«
    Mein Dad antwortet nicht sofort. Schließlich sagt er, ohne Richie anzusehen: »Liz würde es so wollen, oder? Sie würde wollen, dass wir weitermachen. Sie würde wollen, dass wir unser Leben leben, während wir uns an all die schönen Zeiten erinnern, die wir gemeinsam hatten.« Er nimmt noch einen Schluck Schnaps. »Manchmal ist es schwer, sich daran zu erinnern, aber wir hatten viele schöne Zeiten. Nicht
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