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Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben
Autoren: Jessica Warman
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eine Verbindung. Zeig es mir. Zeig es ihm.
     
    Es ist nach Mitternacht. Fast alle anderen an Bord der Elizabeth schlafen. Alle, abgesehen von Josie und mir.
    »Unsere Freunde sind Dünnbrettbohrer«, beschwert sie sich und nimmt einen langen Zug aus ihrer fast leeren Bierflasche. »Ist es zu glauben, dass sie es noch nicht einmal schaffen wachzubleiben, bis du wirklich Geburtstag hast? Wie lange ist es bis dahin noch, knapp zwei Stunden?«
    Ich stehe auf. Mir ist offensichtlich schwindlig; ich bin unsicher auf den Beinen. »Ich brauche frische Luft«, erkläre ich und trete aufs Deck des Boots hinaus. »Komm mit mir nach draußen.«
    Wir klettern die Leiterstufen hinunter, die das Boot mit dem Pier verbinden, und stehen gemeinsam auf den wackligen Holzbohlen. Die Nacht ist still; all unsere Freunde drinnen schlafen. Ich bin beinahe achtzehn Jahre alt, und ich stecke in ernsthaften Schwierigkeiten.
    »Wir müssen uns unterhalten, Josie«, sage ich zu ihr.
    Sie wirft mir einen zweifelnden Blick zu. »Worüber?«
    »Das weißt du genau. Über Alex. Darüber, was wir getan haben. Ich kann so nicht mehr weitermachen«, sage ich. »Nicht einen Tag länger.«
    Die Miene meiner Stiefschwester wird besorgt. »Was sagst du da?«
    Ich lalle ein bisschen. »Ich werde Mr. Riley erzählen, was passiert ist, Josie. Was ich danach tun werde, weiß ich nicht. Vermutlich gehe ich zur Polizei.«
    Sie schüttelt den Kopf. »Auf keinen Fall. Mal im Ernst, Liz. Du wirst ihm nicht das Geringste erzählen. Du hast die Sache mit Vince durchgestanden. Es ging doch bloß um ein paar Bilder und etwas Geld.«
    »Er wird niemals aufhören, Josie. Ganz egal, wie viel ich ihm gebe, er will immer mehr. Jedes Mal, wenn er sich bei mir meldet, will er mehr Geld, und jetzt will er Sex.« Ich lache laut auf. »Ist das zu glauben? Er erwartet von mir, dass ich Sex mit ihm habe. Das mache ich einfach nicht.« Ich schüttle energisch den Kopf. Die Wellen lassen den Pier sanft schwanken. Einen Moment lang scheint es, als würde ich den Halt verlieren. Aber die Stiefel sehen klasse aus. Ich weiß, dass ich sie um keinen Preis der Welt ausziehen würde – jedenfalls nicht, nur um ein besseres Gleichgewicht zu haben. Sie vervollständigen das gesamte Outfit.
    Ich kann erkennen, dass Josie sich alle Mühe gibt, ruhig zu bleiben. »Liz, hör mir zu. Du bist betrunken. Wir lassen uns etwas einfallen. Aber du darfst es niemandem erzählen. Das haben wir doch schon besprochen. Wir würden beide in echte Schwierigkeiten geraten. Es ist jetzt über ein Jahr her. Schlaf … Schlaf einfach mit ihm. Wie schlimm kann das schon sein?«
    »Ich weiß es nicht«, erwidere ich. »Ich bin noch Jungfrau. Das weißt du doch.«
    »Nun, irgendwann musst du deine Unschuld ja verlieren.«
    »Ich will sie an Richie verlieren.«
    Sie schnaubt, sagt aber nichts dazu.
    Ich stütze meine Hände auf den Knien ab. »Mir ist so schwindlig«, keuche ich. »Ich habe das Gefühl, als werde ich gleich ohnmächtig, Josie.«
    »Steck den Kopf zwischen die Beine«, weist sie mich an. »Atme tief durch.«
    »Josie«, murmle ich. »Ich brauche Fruchtsaft. Kannst du mir etwas Fruchtsaft holen? Sonst klappe ich zusammen.«
    »Ja. Warte kurz.« Sie klettert zurück auf das Boot und geht hinein. Meine Stiefschwester schaut sich einen langen Moment um. Sie mustert meine schlafenden Freunde: Topher und Mera teilen sich denselben Schlafsack, ihre Arme fest umeinander geschlungen. Richie, schlafend auf dem Sofa. Caroline, auf dem Fußboden zu einer Kugel zusammengerollt. Für heute Nacht sind alle hinüber. Niemand weiß, dass wir noch wach sind, gemeinsam allein auf dem Pier. Niemand wird irgendetwas mitbekommen.
    Josie geht nicht zum Kühlschrank, um mir Saft zu holen. Stattdessen kommt sie wieder heraus, klettert leise aufs Pier und sieht mich an.
    Ich bin betrunken. Ich bin müde; vermutlich bin ich heute gute zehn Meilen weit gelaufen, möglicherweise noch mehr. Und abgesehen von einem kleinen Bissen Geburtstagstorte habe ich wahrscheinlich kaum etwas gegessen. Dann war da noch dieser Joint, den wir geraucht haben. Jetzt erinnere ich mich ganz deutlich an alles. Ich kann nicht glauben, wie ich meinen Körper behandelt habe. Es ist, als hätte ich gewollt, dass mir etwas Schlimmes zustößt. Und jetzt ist es so weit.
    Ich starre sie an. »Wo ist mein Saft?«
    Ich trete einen Schritt zurück. Sie kommt auf mich zu. Ich gehe noch einen Schritt rückwärts, diesmal zittrig und unsicher, und während ich
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