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Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben
Autoren: Jessica Warman
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du deinen Job ziemlich miserabel. Du hast keine meiner Fragen wirklich beantwortet.« Ich halte inne. »Nur die über mein Erinnerungsvermögen. Und auch das hast du nur im Groben erklärt; abgesehen davon bist du grässlich.« Ich bin nahezu hysterisch. Ich fühle mich nicht wie tot. Ich fühle mich lebendig und hilflos, und mir ist so kalt. Ich will nach Hause. Ich will zu meinem Dad und zu Nicole. Und wenn das nicht geht, dann will ich zu meiner Mom. Wo ist sie? Warum ist sie nicht hier? Und wie zur Hölle bin ich überhaupt im Wasser gelandet?
    »Das alles kann nicht wirklich passieren«, sage ich, obwohl ich weiß, dass es passiert. »Ich habe heute Geburtstag . Man sollte nicht an seinem Geburtstag sterben! Besonders ich nicht. Ich bin Liz Valchar.« Ich brülle fast. »Ich bin sehr beliebt, weißt du! Es wird keinem gefallen.«
    Seine Stimme ist knochentrocken. »Ja, Liz. Dein gesellschaftlicher Status ist mir durchaus bekannt.«
    »Das Ganze ist unmöglich.« Ich schüttle den Kopf. »Nein. Es ist nicht real.«
    »Doch. Ist es.« Sein Tonfall ist flach, gelangweilt. »Komm schon. Atme tief durch. Vielleicht kann ich … vielleicht soll ich dir, ich weiß nicht, ja irgendwie helfen .«
    Ich atme durch und schmecke das Salz in der Luft. Ich kann spüren, wie der Pier unter meinen Füßen schwankt, meine Beine unsicher in den Stiefeln. Wäre meine eigene Leiche nicht gewesen, keine drei Meter entfernt, würde alles ganz normal wirken.
    »Ich weiß nicht allzu viel über das, was hier vorgeht«, sagt Alex. »Keiner hat mir ein Regelbuch oder so was gegeben. So ziemlich dasselbe, was jetzt mit dir geschieht, ist mir auch passiert. Ich erinnere mich daran, mit meinem Rad gefahren zu sein. Ich war auf dem Heimweg von der Arbeit. Es war kurz nach zehn Uhr nachts, und es begann, sehr heftig zu regnen. Ich konnte kaum etwas sehen. Und dann nichts mehr – ich wachte im Sand auf, direkt neben meiner eigenen Leiche.« Er schaudert. »Ich war ziemlich übel zugerichtet.«
    Ich fahre mir über die Augen. »Du erinnerst dich an gar nichts? Nicht mal an den Wagen, der dich angefahren hat? Nicht daran, was direkt davor passiert ist? Du entsinnst dich nicht, irgendwas gehört oder gesehen zu haben?«
    Er schüttelt den Kopf. »Wie ich schon sagte, ich erinnere mich an nichts.« Er zögert. Zum ersten Mal, seit wir zusammen sind, wird seine Stimme ein bisschen sanfter. »Ich war allein, Liz. Im Gegensatz zu dir. Ich hatte niemanden, der mir half. Tut mir leid, wenn ich zynisch war, aber du darfst nicht vergessen, dass ich fast ein Jahr lang ganz auf mich allein gestellt war.«
    »Was hast du die ganze Zeit gemacht?«, frage ich. »Du bist hier, also kannst du ja offensichtlich anderswo hin. Hast du deine Familie besucht? Deine Eltern?«
    Er nickt. »Klar. Ich bin hin und wieder nach Hause gegangen. Aber glaub mir, lieber wäre ich überall sonst. Im Augenblick sprudelt mein Zuhause nicht gerade über vor guter Laune. Meine Eltern haben die Kirche praktisch seit Monaten nicht mehr verlassen, so beschäftigt sind sie damit, für meine Seele zu beten. Und wenn sie zu Hause sind, bleibt meine Mom die meiste Zeit über im Bett.« Er zögert. »Zumindest, wenn sie nicht gerade weinend durchs Haus wandert und die Nachtwachen für mich hält.«
    »Das tut mir so leid«, flüstere ich.
    »Ist schon in Ordnung.« Er lächelt knapp. »Ist nicht deine Schuld, oder? Wie auch immer, ich kann woandershin gehen, aber es ist nicht gerade so, als gebe es viel, das mich unterhalten hätte. Meistens blieb ich einfach in der Nähe der Straße, wo ich gestorben bin. Und dann, ganz plötzlich – war ich hier.« Er schüttelt den Kopf. »Ich weiß nicht, was ich hier mache. Ehrlich, ich bin beinahe genauso verwirrt wie du.«
    Ich starre ihn an. »Aber wir können weggehen. Das willst du damit doch sagen. Ich kann nach Hause, wenn ich das möchte.«
    Er nickt. »Ja. Aber nachdem du ein paar Mal dort warst, wirst du das nicht mehr wollen. Es ist schrecklich zu sehen, wie alle weinen und Trübsal blasen, zu sehen, wie sie leiden. Zu wissen, dass du nicht mit ihnen in Verbindung treten kannst, damit sie sich besser fühlen, oder ihnen auch nur mitzuteilen, dass es dir gutgeht.«
    »Aber es geht uns nicht gut«, sage ich. »Nicht wirklich. Immerhin sind wir hier gefangen, oder nicht?«
    Er scheint darüber nachzugrübeln. »Ja«, stimmt er dann zu. »Ich schätze, du hast recht. Gefangen.«
    »Und du warst einfach so hier gestrandet? Ein Jahr
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