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Man nehme: dich und mich

Man nehme: dich und mich

Titel: Man nehme: dich und mich
Autoren: Jessica Bird
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stand, eine Hand auf den Rahmen gelegt, das wunderschöne, engelhafte Gesicht besorgt.
    “Wo ist Grand-Em?”, fragte Frankie. Wenn sie die Sprache auf ihre Großmutter Emma brachte, ließ sich Joy vielleicht ablenken.
    “Sie liest das Telefonbuch.”
    Sehr schön, das würde sie eine Weile beschäftigen. Die alte Dame litt unter immer schwererer Demenz und brauchte fast ständig Betreuung.
    “Ach, Frankie, weshalb ich hier bin …”
    “Ja?”
    Die Antwort war so leise, dass Frankie mit dem Aufräumen innehielt, um ihre Schwester besser zu hören. “Kannst du etwas lauter reden, ich versteh dich ja kaum.”
    “Tja, äh … Chuck hat angerufen.”
    Mit Schwung warf Frankie einen größeren Gipsbrocken in den Papierkorb.
    “Sag jetzt nicht, dass er wieder zu spät kommt. Heute ist nicht irgendein Freitag, Herrgott, sondern der vorm Feiertagswochenende!”
    Frankie hoffte sehr, dass wie schon letztes Jahr zum vierten Juli wieder ein paar Pärchen aus der Stadt zum Abendessen kommen würden. Die vier Übernachtungsgäste mitgerechnet, würden sie vielleicht neun oder zehn Menüs servieren – nicht so viele wie früher, aber doch immerhin mehr als sonst.
    Wieder sprach Joy so leise, dass Frankie sie nicht verstand. Entnervt riss sie die Tür auf. “Was sagst du?”
    Erschrocken prallte Joy zurück. Ihre blauen Augen weiteten sich, als sie Frankies klatschnasses Haar und das Chaos hinter ihr sah.
    “Sag jetzt lieber nichts”, warnte Frankie. “Ich will nur hören, was Chuck wollte, und sonst kein Wort.”
    Hastig sprudelte Joy die Nachricht des Kochs hervor: Er und seine Freundin wollten heiraten und nach Las Vegas ziehen. Deshalb würde er nicht mehr kommen – weder heute Abend noch am Wochenende. Also eigentlich überhaupt nicht mehr.
    Mit zitternden Knien lehnte sich Frankie an den Türrahmen. Die nassen Kleider klebten ihr am Leib. Als Joy die Hand nach ihr ausstreckte, wehrte sie sie jedoch ab, atmete tief durch und richtete sich auf. “Also schön, dann werde ich jetzt erstmal duschen. Und dann machen wir Folgendes …”
    Lucille hauchte mitten auf einer verlassenen Landstraße irgendwo in den Adirondack Mountains im nördlichen Teil des Staates New York ihr Leben aus.
    Gerade war der rüstige Saab Baujahr 1987 noch mit achtzig Sachen durch die Berge gekurvt, doch dann gab es einen lauten Knall, der Motor ging aus – und das war’s.
    Nate Walker fluchte leise vor sich hin. Er hatte den Wagen damals neu gekauft und seitdem gehegt und gepflegt. Doch als er den Zündschlüssel umdrehte, gab nur der Anlasser ein Geräusch von sich, nicht der Motor.
    “Ach kommt, Lucy, sei doch nicht so”, bettelte er und strich zärtlich übers Lenkrad. Doch er ahnte schon, dass sich das, was den lauten Knall verursacht hatte, nicht mit gutem Zureden aus der Welt schaffen ließ. Es hatte eher nach einer größeren Reparatur geklungen.
    Er stieg aus und streckte sich. Seit vier Stunden war er nun schon unterwegs von New York City nach Montreal in Kanada, aber diese Art von Zwangspause gefiel ihm gar nicht. Die Straße, auf der er stand, war nicht besonders breit, deshalb beschloss er, zuerst einmal Lucille aus dem Weg zu schieben.
    Viel Verkehr gab es zum Glück nicht – jedenfalls hatte er schon seit zwanzig Minuten kein anderes Auto mehr gesehen. Über den Wald um ihn herum senkte sich immer schneller die Dunkelheit. Es war bedrückend still.
    Nate nahm den Gang raus und stemmte die Schulter in die Türöffnung, wobei er mit der rechten Hand lenkte. Als der Wagen sicher auf dem Randstreifen stand, holte er eine Taschenlampe aus dem Kofferraum, öffnete die Motorhaube und versuchte herauszufinden, wo das Problem lag.
    Je älter Lucille wurde, desto mehr hatte er über Autoreparaturen gelernt – sogar, wie man die wichtigsten selbst ausführte. Doch aus dem Motorraum stieg eine Dampfwolke auf, und es zischte. Das deutete auf ein Leck hin, gegen das sich im Moment nicht viel machen ließ.
    Nate schlug die Motorhaube wieder zu und lehnte sich dagegen, um seine Situation zu überdenken. Es war jetzt fast ganz dunkel und für Anfang Juli ziemlich kühl. Die letzte Ansiedlung, die er passiert hatte, lag weit zurück, also beschloss er, es lieber in Fahrtrichtung zu versuchen.
    Da er sich auf einen längeren Marsch einstellte, fischte er seine alte Lederjacke vom Rücksitz und zog sie über. Dann stopfte er eine Flasche Wasser und den Rest eines belegten Brotes in seinen Rucksack. Damit würde er zur Not durch die Nacht
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