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Man nehme: dich und mich

Man nehme: dich und mich

Titel: Man nehme: dich und mich
Autoren: Jessica Bird
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kommen.
    Bevor er den Wagen abschloss, griff er noch nach seiner Messertasche. Die schwere Lederhülle, die mit einem breiten Lederstreifen zugebunden war, lag schwer in seiner Hand. Sie enthielt sechs kostbare Küchenmesser mit japanischen Stahlklingen, und er hätte sie niemals zurückgelassen. Wie jeder Spitzenkoch, der etwas auf sich hielt, arbeitete Nate mit seinen eigenen Messern, und wie jeder Spitzenkoch ließ er sie nie aus den Augen – nicht einmal in einem verschlossenen Wagen auf einer Landstraße.
    Um den Rest seiner Sachen machte er sich keine Sorgen, viel besaß er sowieso nicht. Seine Messer dagegen waren das Beste vom Besten und mehr wert als seine abgetragenen Klamotten und Lucille zusammen.
    Nate hauchte einen Kuss auf die Handfläche, legte sie auf die noch warme Motorhaube und machte sich auf den Weg.
    Beim Laufen schob er sich den Rucksack bequem zurecht und schaute zum Himmel hinauf. Die Sterne leuchteten hier unglaublich hell, besonders einer, der direkt über ihm stand und ihn zu begleiten schien.
    Nach einer Weile tauchten am Straßenrand die ersten eindrucksvollen Gartentore auf. Vermutlich gehörten sie zu einer der Ferienkolonien aus viktorianischer Zeit, von denen er gelesen hatte. Reiche Leute aus New York und Philadelphia hatten sich in dieser Gegend Prachtvillen errichtet und die Sommertage im angenehmen Bergklima verbracht, wenn es in den Städten drückend heiß wurde. Auch heute noch waren die Berge und Seen der Adirondacks ein beliebtes Ferienziel für die Gutbetuchten.
    Wieder schaute Nate zum Himmel hinauf. Dieser Stern blinkte wirklich besonders hell. Vielleicht war es gar kein Stern, sondern ein Satellit, aber dann hätte er sich bewegen müssen …
    Als er mit der Stiefelspitze hängen blieb und kopfüber in den Graben flog, stieß Nate einen lauten Fluch aus. Er rollte sich im Fallen so gut es ging zusammen und machte sich auf eine harte Landung gefasst. Zum Glück war der Graben dicht bewachsen, was den Sturz abmilderte, doch im letzten Moment schoss ein scharfer Schmerz durch seinen umgeknickten Knöchel. Verflixt, der war bestimmt verstaucht.
    Vorsichtshalber blieb er erst mal liegen, bis er die Orientierung wiedergewann. Seinen Stern konnte er von hier aus nicht mehr sehen, aber er hatte gute Sicht auf die Schlucht, in die er beinahe gerollt wäre. Langsam setzte er sich auf und streifte sich ein paar Blätter von der Jacke. Soweit fühlte er sich unverletzt. Doch als er aufstand und sein linkes Bein belastete, war der Schmerz im Knöchel sofort wieder da.
    Na wunderbar. Mitten in der Nacht mit einem verstauchten Knöchel über die Landstraße zu humpeln entsprach nicht gerade seiner Vorstellung von einem angenehmen Abend. Aber was blieb ihm anderes übrig?
    Er biss die Zähne zusammen und ging weiter. Mehr als ein paar hundert Meter würde er es allerdings nicht schaffen, das merkte er gleich. Also konzentrierte er sich darauf, den nächsten Briefkasten zu erreichen. Mit etwas Glück war jemand zu Hause und würde ihn telefonieren lassen, damit er sich ein Nachtquartier besorgen konnte. Morgen würde es seinem Knöchel schon wieder besser gehen, dann konnte er sich um Lucille kümmern.
    Frankie hielt schnuppernd die Nase in die Luft und stürzte dann panisch zum Herd. Sie war so darin vertieft gewesen, Birnen für den Nachtisch zu schälen, dass sie die Hähnchen im Ofen völlig vergessen hatte.
    Als sie die Klappe öffnete, quoll eine Rauchwolke hervor. Hastig griff sie nach zwei Geschirrtüchern, um das heiße Blech herauszuziehen und auf der freistehenden Edelstahlarbeitsplatte abzustellen.
    Da gleichzeitig auf dem Herd mit lautem Zischen die Kartoffeln überkochten, waren Frankies Flüche kaum zu hören.
    Aus dem Speisesaal kam Joy in die Küche gerannt. “Die Littles sind ziemlich sauer. Sie warten jetzt seit einer Dreiviertelstunde und wollen auf der Stelle – oh.”
    Frankie atmete tief durch. Die lieben Littles. Sie waren heute angereist und hatten seitdem eigentlich an allem etwas auszusetzen. Nicht nur eine klemmende Schranktür hatte sie – verständlicherweise – gestört, sondern auch die zu flachen Kopfkissen, die fleckigen Fensterscheiben und die Tatsache, dass im Schrank nur einfache Drahtbügel hingen. Nicht auszudenken, welchen Aufstand sie veranstalten würden, wenn sie ein fast schwarzes Huhn serviert bekämen.
    “Und was jetzt?”, fragte Joy.
    Frankie streckte die Hand aus, um den Ofen auszuschalten, und sah, dass sie die Temperatur viel zu
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