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Malenka

Malenka

Titel: Malenka
Autoren: Irina Korschunow
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Handgelenk. »Sag das noch mal.«
    Sie starrte in seine Augen, und der Griff wurde fester. »Weil ich nicht will, daß Leute, die reden wie du, an die Macht kommen.«
    Harald saß aufrecht da, in seinem Gesicht etwas Neues, Ungewohntes, das ihr angst machte. Er fragte sie, ob sie nicht gewußt habe, unter welches Dach sie käme, und sie gab ihre Antwort, und der Streit ging weiter. Aber eigentlich bereute sie schon ihre schnellen Worte. Stumm gingen sie zum Auto zurück. Bevor sie losfuhren, fragte er: »War das wirklich dein Ernst?«
    »Ich habe mich geärgert«, sagte sie. »Es hat so unmenschlich geklungen.«
    »Vielleicht hast du recht.« Er legte den Arm um sie. »Du kannst dich darauf verlassen, daß ich das Beste für unsere Leute will. Wenn es der Firma gutgeht, geht es ihnen auch gut. Friede?«
    Sie nickte, und irgendwo am Waldrand ließ er den Wagen stehen, sie liebten sich im Schutz einer Buchenschonung, und am Sonntag darauf warf Margot einen leeren Wahlzettel in die Urne. Wir lieben uns, wir sind glücklich, redete sie in sich hinein, ein endloser Rosenkranz gegen den Zweifel, während die Zeit verging.
    Im Winter holte sie ihre Göttinger Vorlesungsskripte wieder heraus und besorgte sich in der Bielefelder Stadtbücherei alles, was sie an entsprechender Literatur dazu finden konnte.
    »Du kleisterst dir das Hirn zu«, sagte Harald irritiert, als er eines Abends nach Hause kam und sie so vertieft war in Alfred Webers »Kulturgeschichte als Kultursoziologie«, daß sie ihn nicht einmal bemerkt hatte. »Was soll das? Willst du etwa dein Studium nachholen?«
    Plötzlich fing sie an zu weinen, unvermittelt, hilflos gegen die Tränen, der Krug, der so lange zum Brunnen geht, bis er bricht. Und als sie endlich wieder sprechen konnte, sagte sie, daß sie etwas brauche, eine Aufgabe, irgendeine, und ob sie nicht mit ihm zusammen in der Firma arbeiten könne, als seine Assistentin vielleicht. »Du bist so überlastet«, sagte sie, »zehn, zwölf Stunden im Betrieb, ich könnte dir helfen, ich begreife doch schnell, worauf es ankommt, und mit Zahlen weiß ich auch Bescheid«, und hätte beinahe von Buchführung gesprochen, kaufmännischem Rechnen, Bankgeschäften, stockte aber noch rechtzeitig. »Englisch, vielleicht ist Englisch nützlich demnächst, und überhaupt, auf mich könntest du dich wenigstens verlassen.«
    Ein Hilferuf, er hörte ihn auch, er liebte sie doch und wußte genau, was ihr fehlte und was sie brauchte.
    »Liebling, im Büro hocken von morgens bis abends, du hast keine Ahnung, wie das ist. Und wenn du erst ein Kind hast...«
    »Sei doch still«, sagte sie.
    Er küßte sie. »Es ist scheußlich für dich im Moment, immer hoffen, und dann wieder die Enttäuschung. Aber alles wird gut, ich verspreche es dir.«
    Seine Hände fuhren über die Perlenkette an ihrem Hals und weiter zum Ohr. »Komm, wir haben noch Zeit bis zum Abendessen.«
    Sie wollte sich wehren, vergeblich, er kannte ihren Körper längst viel zu gut, und es war ja schön mit ihm, immer noch schön, wenn auch nicht so schön wie am Anfang, nur die Liebe damals, und jetzt sollte ein Kind daraus werden, endlich ein Kind.
    »Nun wird es aber Zeit«, hatte Harald am ersten Hochzeitstag gesagt, als er ihr sein Geschenk, die Perlenkette, umband, »und an mir soll es nicht liegen.« Eine programmatische Erklärung, die Margot eher hemmte, besonders seit er begonnen hatte, über ihren Zyklus Buch zu führen, die fruchtbaren Tage errechnete und, wenn es soweit war, früher als üblich aus der Firma kam, ja sogar, eine Seltenheit sonst, um die Mittagsstunde. Zwecks Zeugung, nannte sie es bei sich.
    Heute war so ein Tag. Und während er sie ins Schlafzimmer zog, spürte sie, wie sich das Begehren, das er in ihr zu wecken verstand, mit Widerwillen mischte.
    »Nicht jetzt«, sagte sie.
    »Doch«, sagte er, war liebevoll, zärtlich, leidenschaftlich, alles, was sie mochte, und erst hinterher dachte sie daran, daß unten im Biedermeierzimmer seine Eltern saßen und ebenfalls auf den Erfolg warteten. Ein kleiner Kronprinz, der fünfte Hellkamp für die Firma. »Ob ich meinen Enkel wohl noch zu sehen bekomme?« fragte der alte Herr immer wieder bekümmert. Sein Leiden hatte sich verschlimmert, der Umzug nach Norderney sollte im Spätsommer stattfinden, und Haralds Mutter in ihrer Sorge hatte die Schwiegertochter erst kürzlich zu einem berühmten Kölner Gynäkologen geschickt, der jedoch keinerlei Mängel entdecken konnte.
    Vielleicht, meinte
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