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Malenka

Malenka

Titel: Malenka
Autoren: Irina Korschunow
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Margot verlauten. »Hü und hott unter demselben Dach, das führt zu nichts, und schließlich hast du ja gewußt, unter welches Dach du kommst.«
    »Aber nicht, daß das Dach für dich denkt«, sagte sie, zu Unrecht, denn sie hatte auch dies gewußt, es nur nicht wissen wollen, und wie konnte sie ihm vorwerfen, daß er war, wie er war.
    Der Streit mit den falschen Vorwürfen ereignete sich im Sommer 1949, elf Monate nach der Hochzeit, fast ein Jahr, in dem Margot alles darangesetzt hatte, glücklich zu sein in ihrer neuen Umgebung, die es zu erobern galt, gesellschaftlich etwa, der Kreis, zu dem sie nun gehörte und wo man sie von Anfang an reizend nannte, aber auch das Haus, auf dessen Führung ihre Schwiegermutter sie vorbereitete. Herr Hellkamp senior, der alte Hellkamp seit Haralds Eintritt in die Firma, konnte das Bielefelder Klima nur schwer vertragen, bei Westwind speziell, der von den Hängen des Teutoburger Waldes herunterwehte und ihm Atemnot, Husten und Angst vor Erstickungsanfällen brachte, so daß ein Umzug nach Norderney erwogen wurde.
    »Und dann, Margret«, sagte seine Frau, »solltest du firm sein. Auch wenn man nicht selbst spänt und bohnert, muß man wissen, wie das Parkett gepflegt wird, sonst tanzt einem das Personal auf der Nase herum.«
    Wichtiger als das Parkett aus honigfarbenem Eichenholz freilich war die Küche, in der Frau Hellkamp senior dem Mädchen nur die Vorbereitung der Speisen überließ, die Vollendung jedoch, das Würzen und Abrunden, das Aufschlagen einer Hollandaise, die Überwachung des Bratens, nicht aus der Hand gab, ebensowenig wie die Einkäufe und Bestellungen. Ein zufriedener Mann sei auch ein guter Ehemann, erklärte sie, und Harald habe von seinem Vater die Feinschmeckerei geerbt, hin und wieder zwar Hausmannskost, Pickert mit Apfelmus etwa, Grünkohl mit Rauchenden, oder mal eine kräftige Erbsensuppe am Sonnabend nach alter Westfalenart, aber nicht zu oft. Und so führte sie Margot in die Geheimnisse der feinen Soßen ein - »um Gottes willen kein Mehl, Margret, das ist absolut piefkisch« -, der Bouillons, Consommés und Samtsuppen, der Cremes und Crêpes, zeigte ihr, wie ein Rehrücken rosa gebraten wird, eine Ente knusprig, wie ein Filet seine Zartheit bewahrt und der Fisch nicht zerfällt. Margot lernte es, wie sie bisher alles gelernt hatte, mit Eifer, Geschick und Schnelligkeit, und auch die Kunst des Einkaufens handhabte sie so gewandt, als hätte sie ihre Kindheit nicht mit Stinte und Schweinepfoten verbracht, sondern mit Roastbeef, glasiertem Kalbsbraten und Karpfen blau.
    »Fabelhaft, wie sie das macht«, sagte Frau Hellkamp senior zu ihrem Mann. »Freundlich und mit Distanz, absolut ladylike, trotz ihrer Jugend. Ich glaube, wir können ihr unbesorgt das Haus überlassen«, und der alte Hellkamp, ohnehin väterlich verliebt in die Schwiegertochter, richtete ihr bei der Commerzbank am Jahnplatz ein kleines Konto ein, fünfhundert Mark vorerst, »damit du dir mal einen Hut leisten kannst, ohne deinen Mann zu fragen«, dies mit Augenzwinkern als Anspielung auf die Unstimmigkeit, zu der es zwischen Harald und Margot gekommen war, weil sie sich drei Hüte auf einmal gekauft hatte, etwas wie ein Kaufrausch, der sie bei der Putzmacherin Nebel überfallen hatte. Alles war so einfach plötzlich, in den Laden gehen, aussuchen, Rechnung an Hellkamp. Doch diesmal hatte Harald Einspruch erhoben: »Verschwendung, du streust das Geld durch die Gegend wie Konfetti.« Sein Geld, wollte er damit sagen, und fortan kaufte Margot nichts mehr, ohne zu fragen. »Sei nicht albern«, sagte er schließlich und setzte ihr ein monatliches Taschengeld aus, hundert Mark, großzügig bemessen, die Mädchen im Haus erhielten nur den dritten Teil als Lohn. An jedem Ersten lagen die Scheine morgens auf dem Frühstückstisch, und Margot nahm sie und zahlte fünfzig Mark davon auf ihr Konto ein, der alte Anna-Jarosch-Instinkt, Ersparnisse unter dem Dielenbrett, alles jedoch mit Unbehagen, das sie herunterzuschlucken suchte, denn sie wollte glücklich sein.
    War sie es jemals? Später, wenn sie an Bielefeld dachte, sah sie immer wieder das Biedermeierzimmer vor sich, die Familie abends bei einer Flasche Wein, und sie sprechen über die Firma. Ein unerschöpfliches Thema, ein erfreuliches auch. Jedenfalls ging es mit der Weberei Hellkamp offensichtlich aufwärts, im Gegensatz zu der allgemeinen wirtschaftlichen Situation, knappes Geld, die Preise zu hoch und an die zwei Millionen Arbeitslose.
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