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Malenka

Malenka

Titel: Malenka
Autoren: Irina Korschunow
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Margots Wunsch samt Kind aus Iffenhausen geholt und im Bügelzimmer installiert hatte, wo sie, vom Hochzeitskleid abgesehen, die gesamte Garderobe auf den entsprechenden Stand brachte.
    Margots Wünsche. Sie durfte Wünsche haben, und die Wünsche wurden erfüllt, soweit es sich machen ließ, und vieles ließ sich machen, seitdem das neue Geld die schon ins Legendäre entrückten Dinge, nötige und weniger nötige, aus den Schwarzmarktkanälen an die Oberfläche geholt hatte, in Schaufenster und Regale. Kein Mangel mehr, nur die Mark war jetzt knapp, aber auch das nicht überall. Bei Hellkamps gab es noch genug davon, oder schon wieder genug.
    Erstaunlich im Grunde, wie bereitwillig Margot dort aufgenommen wurde, mit Freude sogar trotz naheliegender Einwände und Bedenken. Ein Flüchtlingsmädchen aus dem Osten, ohne Vermögen und familiären Hintergrund, eigentlich unangemessen, diese Verbindung. Aber von Anfang an hatten Haralds Eltern Margot bezaubernd gefunden. »Anmutig«, sagte Frau Hellkamp, »und wie sie lächelt, da geht einem das Herz auf«, zur Verwunderung ihres Mannes, denn sonst war sie diejenige, die auf Angemessenheit hielt. Freilich hätte auch der alte Hellkamp nicht ungern Geld gesehen bei der Heirat des Sohnes, insbesondere unter den gegenwärtigen Verhältnissen, doch andererseits, so erklärte er seiner Frau, hätten sie ein fast unglaubliches Glück gehabt, soweit es das Materielle beträfe, Haus und Fabrik heil über den Krieg gebracht, bis auf weniges jedenfalls, und warum sollte der einzige Sohn, der ihnen geblieben sei, nicht glücklich werden mit der Frau, die er liebe, zumal man doch wisse, wie schnell das Leben vorbei sein könne und wie nackt und bloß man dahinginge, und Frau Hellkamp, unter Tränen wie stets, wenn sie ihres ältesten, in Rußland liegenden Sohnes gedachte, hatte auf Margots Herkunft hingewiesen, Arzt der Vater, ein guter Stall, man sähe es ihr an, und ganz gewiß ein Mädchen, dessen sich die Familie nicht zu schämen brauche.
    Kurz, die Braut war willkommen. Nebeneinander standen Herr und Frau Hellkamp bereit, als Margot zum zweiten Mal nach Bielefeld kam, jetzt schon die künftige Schwiegertochter, und nie wird sie ihn vergessen, diesen Nachmittag, der Garten voller Rosen und Haralds Eltern, die ihr entgegengehen, wir haben uns immer eine Tochter gewünscht, willkommen. Sie nahm sich vor, es gut zu machen, eine gute Frau, eine gute Tochter, trotz der Lüge und ohne schlechtes Gewissen. Immer wieder hatte sie versucht, mit Harald zu sprechen, umsonst. Es gab nur eins, sie mußte mit sich selbst ins reine kommen, endgültig, ich bin Margret Möller, bin es geworden und werde es nun bleiben, meine Sache, nur meine, wem schadet es. Wem schadet es, wies sie auch die Stimme ihrer Großmutter zurück, die mit dem alten Hochmut kam, sei still, soll ich wieder alles verlieren? Obwohl sie doch wenigstens in ihrer Möller-Identität hätte Klarheit schaffen sollen, ein paar Sätze nur zu Harald, ich konnte nicht über meinen Vater sprechen bisher, jetzt weißt du es. Auch das gelang nicht, nicht einmal das.
    »Typische Blockade, wie so ziemlich bei jedem Mist, den man macht«, wird Wiethe sagen, Harald dagegen, wenn es soweit ist, von Vertrauensmangel sprechen, »du hattest kein Vertrauen zu mir«. Genauso war es. Aber das wußte sie noch nicht, damals, in den Tagen zwischen Göttingen und Bielefeld. Und so ging sie an Haralds Seite in das Haus, und sein Vater sagte: »Jetzt gehörst du zu uns.«
    Sesam öffne dich. Was danach kam, regelte sich wie von selbst, ein Zug, der rollte, Verlobungsfeier, Hochzeitsvorbereitungen, sogar die Wohnung im oberen Stockwerk konnte geräumt werden für das junge Paar. Geld, Margot sah es mit Staunen, es war Geld, das die Maschine in Gang setzte, die Strecke freihielt, die Weichen stellte. Frau Hannewald, Zeugin der Entwicklung von Anfang an, faßte bei Margots Abschied von der Groner Torstraße die veränderte Situation wie folgt zusammen: »Jetzt kriegen Sie ein schönes Leben, Fräulein Möller, in guten und in schlechten Tagen. Wenn Sie sich mal ein Bein brechen, mit Geld tut das längst nicht so weh, können Sie mir glauben.«
    Und nun die Hochzeit, ein leuchtender Herbst über der Bielefelder Altstadt, Heiterkeit beinahe. Alles halb so schlimm, schien das Grün, das auf den Trümmergrundstücken wucherte, zu verkünden, und Harald sah es ebenso: »Nicht mehr lange, und hier wird wieder aufgebaut, auch die Kirche.« Die Altstädter
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