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Malchatun

Titel: Malchatun
Autoren: Johannes Tralow
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Daseins, vor solchen armseligen Unterkünften den Vorzug gaben.
    Da sich das Land seit langem im Zustand eines beständigen Kleinkrieges befand, so fehlte es den Ruinenstädten keineswegs an Wehrgängen und Mauern.
    Nur den besiedelten Teil der ehemals weitläufigen Stadt umschloß die Wehrmauer von Eskischehr, aus der mehr als Festung und Burg denn als Palas der Herrensitz gegen Westen emporwuchs. Unter seinem Schutz, aber außerhalb der Mauer, lag der Platz, auf dem gemäß einem kaiserlichen Diplom des Sultans von Ikonium zweimal im Jahr Markt abgehalten werden durfte. Dann wimmelte es dort von Zelten und Buden. Die berühmten Eskischehrer Zinnarbeiten wurden feilgeboten, und die sauer eingemachten Weinbeeren sowie die knoblauchduftenden Knackwürste Sögüds fehlten ebensowenig wie die weißen Filzhauben Biledschiks und andere Erzeugnisse der näheren Umgebung, während die Fremden mehr mit denen einer entfernteren Herkunft auf die vorbeidrängende Menge Eindruck zu machen suchten.
    So war es an Markttagen. Doch obwohl heute kein Markt abgehalten wurde, so war der Platz nicht menschenleer: Die Herrentochter von Eskischehr heiratete den jüngeren der beiden letzten Männer aus dem Geschlechte der Asanes, nämlich David Asanes oder Kir David, wie die Griechen ihren Herrn zu nennen pflegten. Jedenfalls bedeutete diese Hochzeit nicht nur einen, sondern mehrere Festtage für die Stadt, wozu auch das Warten der Leute auf Braut und Bräutigam und einen lieben Gast gehörte. Denn bereits am Tage zuvor war die junge Braut mit ihrem David und dessen Vater nach dem Dorfe Itburni geritten, um von dort ihre beste Freundin und Jugendgespielin, des mohammedanischen Gelehrten Edebali schöne Tochter Malchatun, nach Eskischehr einzuholen.
    Dem erwähnten Vetter des Bräutigams, Kir Salmenikos Asanes auf Biledschik, hatte es stets widerstrebt, nichts als ein Krautjunker und Heckenreiter zu sein. Er kannte als Christ den Hof in Konstantinopel und in seiner Eigenschaft als Lehensträger der Hohen Pforte von Ikonium den des Sultan-Kaisers noch besser. Darum hatte es auch nicht ausbleiben können, daß der hochgewachsene, wohlgestaltete Mann im ganzen Land als ein Muster der Eleganz und des guten Tones angesehen wurde.
    Dieser Mann dachte im Reiten etwas, was er nicht laut auszusprechen klug genug war. Malchatun sei doch die einzige wirkliche Dame in dieser finsteren Gegend, dachte er nämlich, wobei er seiner Verwandtschaft mit dem noch ganz knabenhaften David zum Trotz dessen Braut einfach übersah. Und Apollonia Kontophres, die Tochter des Kir Aristides Kontophres von Eskischehr, war doch keineswegs häßlich. Ein zierliches brünettes Mädchen war sie, das sich durchaus gewillt zeigte,
    ihre Vorzüge ins Licht zu stellen. Schon zum dritten Male hatte sie der Autorität des eleganten Salmenikos unterbreitet, daß ihr Gewand aus Konstantinopel stamme, und tatsächlich strahlte sie in dem reich verzierten Überwurf ihrer Großmutter so viel Glanz aus, wie man füglich von ihr nur erwarten durfte. Unter ihrem blauen Kleidsaum ließ sie auch noch gelbe Schaftstiefel sehen, den Mund aber trug sie nach Sitte byzantinischer Damen durch einen Schleier aus hauchfeinem Byssus verhüllt, ohne damit etwa ein Schweigegebot auf sich zu nehmen. Auch legte sich dieser Byssus nach hinten hinauf noch über die Haare, um von oben über die Stirn zu fallen. Allerliebst sah das aus. Die leichte Verhüllung entbehrte für Männer nicht der Verlockung.
    Eines Gesichtsschleiers bediente sich ihre Freundin Malchatun ebenfalls, und zwar mehr aus dem gleichen Grund wie die christliche Apollonia als mit Rücksicht auf den großen Lehrer des Islams, ihren Vater Edebali. Viele mohammedanische Glaubensgenossinnen des Mädchens waren Landfrauen oder gar Türkinnen, und gerade die erklärten in ihrer ererbten Selbstherrlichkeit den Schleier als einen Fummel, der sie beim Melken und Warten der Tiere nur störe: Der Prophet in allen Ehren, aber der habe nicht gemolken!
    Diese Frauen waren nicht unfromm; aber der Prophet hatte es schon mit seinen eigenen Frauen schwer genug gehabt, und ein Städter war er auch gewesen. Seine Vorschrift der Verschleierung gehörte darum auch zu denen, die seine Lehre seit nun bald siebenhundert Jahren niemals überall hatte durchsetzen können. In Byzanz dagegen hatte kein Mann und kein Prophet jemals für den Schleier einen Finger gerührt, und so wurde er dort ganz widerspruchslos getragen.
    Von Malchatuns Gesicht gab deren
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