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Malchatun

Titel: Malchatun
Autoren: Johannes Tralow
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sie dem Gast, ebenfalls zuzulangen, da er gewiß nicht weniger hungrig sei als sein Lehrer.
    Und der junge Mann sei Ertoghruls Sohn Osman, erklärte ihr der Vater.
    Osman aber staunte sie immer nur völlig verloren an -
    Plötzlich und ohne Übergänge durchdrang ihr Bild sein Gemüt. Es blieb in ihm stehen. Unverrückbar bis an seines Lebens Ende.
    Blauäugig und blond war Malchatuns Mutter gewesen -soviel wußte man. Ihr Vater aber war ein Araber aus Syrien. Dieser eigenwillige und hagere Greis mit der feinen, ganz leicht gebogenen Nase, dem gepreßten und doch vollippigen Mund und den dunkelglühenden Augen war schwer zu deuten. Vielleicht hatte gerade sein großer Gegensatz zu der hellen und heiteren Gattin diesen Mann und jene Frau einst um so inniger vereint. Denn daß Malchatun das Kind einer großen Liebe sei, ließ die langjährige beharrliche Trauer vermuten, die Edebali dem Andenken der Verstorbenen geweiht, und die leidenschaftliche Zuneigung, die er von ihr auf die Tochter übertragen hatte, auf sie, die als schön galt.
    Von dem Ebenmaß einer griechischen Statue war freilich wenig an der schönen Malchatun zu finden. Mühsam gebändigt, legte sich ihr natürliches Gelock als Geflecht in den Nacken. Tieren glichen diese Flechten, deren ins Dunklere und Kupfrige spielender metallischer Goldglanz mehr an Funken und Feuersbrunst als an heitere Helle denken ließ. Das Erbteil des Vaters war ihre schmalrückige Nase, während der Mund eindeutiger Menschliches zugab. Ihre Augen aber, diese dunkelbewimperten Augen unter den breiten Brauen und einer hohen Stirn, waren von einem klaren, strahlenden Blau.
    Ein weitärmeliges silbergraues Gewand umhüllte Malchatun wie fast stets so auch jetzt an diesem Abend. Oben war ein Stück weißen Hemdes, unten eins ebensolcher Hosen zu sehen. Leichte Ledersandalen schützten die bloßen schmalen Füße.
    Was aber den jungen Osman so sehr erschütterte, waren wohl nicht die Einzelheiten ihrer Kleidung und ihres Leibes.
    Gewöhnt an derbere Frauen, die sich trefflich auf Melken und die Zubereitung von Käse und Schnaps verstanden, water hier zum ersten Male hilflos einem Mädchen ausgeliefert, das nicht nur durch ihr Äußeres bezwang, sondern auch in
    der Anmut ihrer Bewegungen, in Wort und Haltung Zug um Zug jenen arabischen Damen zu vergleichen war, von deren männerbeherrschendem Selbstbewußtsein schon vor bald siebenhundert Jahren der Prophet sich gelegentlich hatte überzeugen müssen.
    Mekkas Damen waren keine weltfernen Geschöpfe. Nicht nur auf den Schmuck und den Glanz des Irdischen verstanden sie sich, sondern auch auf dieses Irdische selbst. Sie sandten wie die erste Gattin des Propheten ihre Karawanen aus und verwalteten ihre Ländereien gleich Männern.
    Und es sei ein Streit zwischen ihrem Vater und ihm, erkühnte sich Osman nun, das Mädchen zurückzuhalten, und ob die Tochter seines verehrten Lehrers den Streit nicht schlichten wolle?
    »Ein Fetwa? Ein religiöses Gutachten?« war ihre Gegenfrage. »Der gelehrte Scheich und sein Schüler wollen ein Fetwa von mir, einer unbelehrten Frau?«
    Diese kleine ironische Koketterie galt freilich mehr dem Vater als dem jungen Manne; aber wenn Malchatun - was sich schon ihrer ärztlichen Kunst wegen nicht vermeiden ließ - mit andern Männern zusammentraf, fühlte sich Edebali immer beeinträchtigt. So kam ihm denn eine Bemerkung, die er sonst heiter belächelt hätte, sehr gelegen, sich zu kränken. Ein Fetwa solle für jedermann heilig sein. Es abzugeben komme nur einem unbestrittenen, berühmten Meister der Gotteslehre zu - etwa ihm selbst.
    »Du bist nicht unwissend, mein Kind«, tadelte er sie durch Sachlichkeit und stellte zugleich den Gegenstand der Unterhaltung als so belanglos wie nur möglich hin. »Auch weichen wir, Osman und ich, im Grunde nur um ein Geringes voneinander ab.«
    Aber Kara Osman, der »Schwarze Knochenbrecher«, der wegen seiner Haare und dunklen Augen so hieß, zeigte durchaus nicht den Takt, den Edebali erwartet hatte. Osman ließ das eben angebahnte Gespräch nicht einfach wieder fallen. Bei seiner Jugend war ihm noch nicht der volle Strom seines Bartes vergönnt, und so konnte er nur seinen Schnurrbart streichen, was mehr als einmal geschah, während er seinen Fall mit allen Einzelheiten Malchatun vortrug.
    Es war immer noch die alte Geschichte vom wilden Matthäos Botoniates.
    Soweit von einer Grenze gesprochen werden konnte, saß der Christ Botoniates jenseits von dieser Grenze im
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