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Malchatun

Titel: Malchatun
Autoren: Johannes Tralow
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Koranexegese hätte ebensogut nach Adana oder nach Syrien, wo er seine Studien beendet hatte, zurückgehen können; aber auch in Ägypten oder jedem anderen Lande des Islams wäre er einer ehrenvollen Aufnahme sicher gewesen.
    Das gleiche konnte Kontophres von sich nicht behaupten. Er mußte bleiben, wo er war, oder untergehen, und so konnte die Freundschaft eines Mannes wie Edebali für ihn recht wichtig werden. Sie war es schon jetzt, weil Kontophres durch sie den Anschluß an einen andern großen Mann des Islams in diesem Land gewann. Dieser andere war Ertoghrul, der Scheich eines türkischen Hirtenstammes, der zugleich von der Ikonischen Pforte mit der Grenzhut gegen Byzanz betraut war.
    Jeder der beiden bedeutenden Männer stand im achten Jahrzehnt seines Lebens, und beide hatten sie junge Kinder -Edebali seine' Tochter Malchatun und Ertoghrul seinen Sohn Osman.
    Auch darin glichen sie sich, daß der Geburt des jungen
    Mannes und der des Mädchens in beiden Fällen ungewöhnliche Ereignisse vorangegangen waren und die jungen Leute sich aus diesem Grunde einer Beachtung erfreuten, die nicht allein den Vätern galt. Seit ihrer Geburt schon hatten sie aufgehört, ausschließlich ihrer Väter Kinder zu sein. In Wahrheit gehörten sie dem ganzen Land und dem ganzen Volk.
    Der Zufall und Edebalis Ruf eines heiligen Mannes hatten vor nun bald siebenundzwanzig Jahren den Häuptling Ertoghrul zur Nacht in das Haus des Gelehrten geführt.
    Nachdem sich alle zur Ruhe begeben hatten, war Ertoghrul, der Krieger und Stammesführer, allein wach geblieben und hatte, ehrfurchtsvoll stehend, die ganze Nacht den Koran gelesen.
    Erst gegen Morgen hatte auch er sich niedergelegt. Und in dieser Zeit wahrhaftiger Träume war ihm Allahs Engel erschienen : „Dieweil du mein von Ewigkeit bestehendes Wort geehrt hast“, hatte das Traumbild verkündet, „sollen hochgeehrt sein deine Kinder und Kindeskinder durch alle Geschlechter und Zeiten.“
    Und nach Ertoghruls Rückkehr zu seinen Zelten hatte ihm eine junge Sklavin mit dem Ablauf der natürlichen Frist einen Sohn geschenkt ... So jedenfalls lautete die Geschichte von Osmans Geburt, um dessen Bevorzugung durch den Vater und vor den älteren Brüdern zu erklären.
    War aber im Falle Ertoghruls gewissermaßen dessen Sohn Osman die Ursache einer engeren Beziehung zu Edebali gewesen, so hatte Malchatuns Mutter in gleicher Weise den gelehrten Mann mit dem christlichen Kontophres verbunden.
    Blonde Menschen gab es genug - ob sie nun zur Nachkommenschaft nordischer Kreuzritter oder zu sonstwem gehörten. Hierüber freilich konnte man bei Malchatuns Mutter nichts sagen, weil sie ein Findling gewesen war.
    Was sie zu dem bedeutend älteren Edebali und dem Islam hingezogen hatte, darüber gab es so viele Berichte, wie es Leute gab, die sich es zu wissen rühmten. Nicht zu bezweifeln war hingegen, daß sie eines Tages von Eskischehr, wo sie als Herrenkind und im Schloß aufgewachsen war, sich nach Itburni begeben und dort Edebali nach mohammedanischem Ritus geheiratet hatte.
    Deswegen war jedoch auch in der Folge an gegenseitigen Besuchen und Botschaften zwischen Itburni und Eskischehr kein Mangel gewesen - bis die junge Frau dann bei der Geburt ihrer Tochter Malchatun gestorben war.
    Obwohl ein Schüler Edebalis, war Osman nie mit Malchatun zusammengetroffen. Sein Ruf war nicht danach. Auch jetzt, zur Zeit der Fasten des Ramadan, fand er bei seiner Einkehr wie immer nur seinen Lehrer vor. Sie saßen lange. Längst hatten mit dem Einbruch des Abends die zu dieser Festzeit schicklichen Stunden des Essens, der Lauten und der Märchen angehoben. Nur Lehrer und Schüler waren noch in Gesprächen beieinander, ohne Mahl, ohne Licht und ohne der Nacht, die sie umgeben hatte, gewahr zu werden.
    Niemand dachte im Trubel der frohen Stunden an Edebali. Nur Malchatun vermißte den Vater, der nach ihrem Vermeinen in einem Zustand der Versunkenheit der Zeiten vergessen habe, und um den Dienern die erlaubten Freuden nicht zu kürzen, ging sieselbst mit einer Lampe und einem Mahl in das väterliche Gemach.
    Wie ein Erwachen kam es bei ihrem Eintritt über Edebali und den jungen Osman. Mit keiner anderen Beleuchtung als der des zunehmenden Mondes hatten beide auf dem Teppich gesessen, und während Osman nun aufsprang, stellte Malchatun von ihrem Tragbrett die Lampe, die Schüssel saurer Bohnen, die flachen Brotfladen und das festliche Zuckerwerk in die Mitte. Mit einem Schweben ihrer schlanken Hände bedeutete
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