Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Malchatun

Titel: Malchatun
Autoren: Johannes Tralow
Vom Netzwerk:
Verhüllung allerdings wirklich nur die blauen Augen und den schmalen Nasenrücken frei. Sonst war das Mädchen vom Scheitel bis zum gebleichten Kalbleder ihrer Schuhe in einen dunkelblauen schmucklosen Kapuzenmantel gehüllt.
    Vielleicht war es der Reiterin Haltung, die dem Salmenikos jene Meinung eingegeben hatte, ihm, dessen Gedanken in letzter Zeit immer mehr um Malchatun kreisten. Zuerst hatte er gar nicht so sehr darauf geachtet, bis er sich dann plötzlich seines Zustandes bewußt geworden war. Und das war gewesen, als die Umstände ihm eine Heirat mit der Erbin von Eskischehr nahegelegt hatten. Allen scheinbar zwingenden Gründen zum Trotz hatte er sich nicht zu dieser Heirat entschließen können und war lieber der Hochzeitsstifter zwischen Apollonia und dem noch sehr jugendlichen Bräutigam geworden. Möge der David mit seiner Pollizza glücklich werden, dachte er . . . Pollizza ... so wurde Apollonia zumeist genannt, aber unmöglich sei es ihm, eine Frau zu haben, die Pollizza heiße!
    »Daß wir dich nur wieder haben!« schmachtete Pollizza ihre Freundin Malchatun gerade an und nicht einmal ganz ohne Grund. Denn viele Monate war die junge Ärztin Malchatun - und sie war eine - bei dem großen Rabbi-Arzt in Satalia gewesen. Und auch die Frage war nicht unbegründet, die von Pollizza unfehlbar gekichert werden mußte: »Hatte dich dein Osman vertrieben?«
    Die Annahme lag tatsächlich nahe, daß Malchatuns Reise eine Flucht gewesen sei, durch die sie sich der peinlich gewordenen Werbung dieses Türken Osman habe entziehen wollen.
    »Was hättest du auch noch von einem alten Arzt zu lernen gehabt?« drang Apollonia weiter in sie. »Die Kranken glauben an dich. Das genügt.«
    Nun endlich vernahm Salmenikos den so erregend tiefen und vollen Klang von Malchatuns Stimme:
    »Wir wissen immer zuwenig, Pollizza, aber wenn wir nicht wenigstens das wissen, was wir zu lernen Gelegenheit hatten, dann betrügen wir.«
    Nein, von Malchatun erfuhren weder Apollonia noch sonst jemand das Geringste über den jungen Sohn des alten Türkenhäuptlings Erthoghrul. Es war dieser Osman selbst gewesen, der sich - höchst unschicklicherweise, wie vor allem die Männer des Islams meinten - in seiner Leidenschaft allen möglichen Leuten anvertraut hatte. Auch dem Salmenikos.
    Wie ein Schlag war es dem feinen Mann gewesen, und nur die Erwägung, wie lächerlich so ein Türkenbengel sich mit seiner Verliebtheit mache, hatte den Zorn über das, was ihn Frechheit dünkte, gemildert. Dennoch fand der Mann mit den gepflegten Sitten, daß jedes Geschwätz über ein Wesen, das er, Salmenikos Asanes, noch soeben in seinen Gedanken die einzige Dame genannt habe, eine Entweihung sei.
    Eine Weile hörte man nichts als das Klirren der Zaumketten, Ledergeknirsch und das dumpfe Pumpern der Hufe.
    Der letzte Regen war vor Wochen gefallen, und um dem Staub zu entgehen, ritten, indes die Knechte folgten, die beiden Mädchen mit ihren Kavalieren voran.
    Jetzt bog der Trupp in das Wegende ein, und nun lag vor den Reitenden das Schloß, an dessen Wiege die Wehrhaftigkeit und nicht die Schönheit gestanden hatte. Säulen, Statuen, Gesimse zusammengestürzter Paläste und Tempel waren je nach ihrer Tauglichkeit mit anderen Steinhaufen vermauert worden, und so wirkte das Schloß nur wie aufgeschichtete Würfel und eine massige Drohung, die durch das edle Material in keiner Weise gemildert wurde. Unheimlich nahe stand die Burg dem gestaltlosen Chaos.
    Mit Glückwünschen setzten sich nun auch die Wartenden -Gäste und Volk in Bewegung, und bald waren die Reiter umringt. Weder Dank noch Zuruf blieb die fröhliche Braut den Hintersassen ihres Vaters schuldig, und während sie zugleich mit den Frauen des halben Adels von Bithynien Umarmung und Küsse tauschte, ermunterte sie ihren knabenhaften Künftigen, seine Schüchternheit zu überwinden.
    Kaum weniger lebhaft wurde Malchatun begrüßt.
    Sie gehörte zum Hause Kontophres, in dem ihre Mutter wie eine Tochter aufgewachsen war. Sie gehörte zu Eskischehr, dem sie und ihre Familie einen Glanz gaben, und sie gehörte mehr als je dem Land. Denn nach dem unlängst erfolgten Tod des berühmten Arztes, ihres Onkels, war Malchatun als dessen Schülerin die letzte Hoffnung der Kranken geworden, ja, es hieß, sie habe aus diesem Grund ihren Aufenthalt in Satalia verkürzt.
    Als nun ein halbwüchsiger Junge voll Angst auf sie einschrie, wurde sie ernst, und nach einigen Fragen befahl sie, aus ihrem Gepäck einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher