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Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Titel: Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)
Autoren: Tonino Benacquista
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Greifen nah. Überwachungskameras konnten niemals so scharfe Bilder liefern.
    Die Tötung aus dem Hinterhalt war für ihn etwas Metaphysisches. Man wartete und schwieg. Das Opfer war weit weg. Dann konzentrierte man sich. Ein Blick genügte. Der Sniper war der Tod in Person. Er schlug zu, wenn niemand mit ihm rechnete. Er kam aus der Ferne. Niemand konnte ihn sehen, so wie man Gott nicht sehen kann. Er hatte das Gefühl, überall gleichzeitig sein zu können. In einer Sache hatte er auf jeden Fall recht: Man musste nur lange genug warten, dann wurde man belohnt. Und zwar fürstlich.
    Am nördlichen Rand der Stadt in der Nähe der Markthalle hatten Julio Guzman und Paul Gizzi ihren Patrouillengang unterbrochen, um Wasser aus dem Brunnen zu trinken.
    In entgegengesetzter Richtung, zwei Kilometer südlich, faltete Franck Rosello auf einer Bank in einer Grünanlage gegenüber dem Rathaus einen Stadtplan auseinander. Für einen Gelegenheitsheckenschützen wie Tom war es eine Ehre, wenn sich eine lebende Scharfschützenlegende in seinem Fadenkreuz bewegte.
    Aber als unmittelbarstes Ziel bot sich Greg Sanfelice an. Er saß in einer Gondel des Riesenrades und wachte über die Geiseln wie eine Henne über ihre Küken.
    Wen sollte er als Ersten erledigen? Tom überlegte. Ein richtiger Sniper hätte sich diese Frage nie gestellt.
    Pauls Durst war gestillt. Er ging zur Seite, Julio Guzman war jetzt dran. Der lag aber schon auf dem Boden. Er war wie ein welkes Blatt tonlos zu Boden gesackt. Tom hatte genau auf sein Herz gezielt.
    Eine Sekunde später sank Franck Rosello auf seiner Bank zusammen. Genau wie seine eigenen Opfer auch hatte er den Tod nicht kommen sehen. Er kam ohne die geringste Vorwarnung. Und deshalb ohne Angst und Bedauern. Franck hatte immer wie seine Opfer sterben wollen. Nun hatte Tom ihm diesen Wunsch erfüllt.
    Francks Arm hatte kaum den Rasen berührt, da flog Gregs Gehirn in die Luft. Nahschuss auf bewegliches Ziel. Hiermit war Tom in das Pantheon der Scharfschützenelite aufgestiegen.
    Doch sein Stolz verflog schnell, stattdessen ergriff ihn eine seltsame Angst. Eine Art Horror, den er mir später kaum beschreiben konnte. (Seine Hände zitterten dabei derart, dass er sich auf sie setzen musste, um das Beben zu beenden. Ich scherze nicht.) Dabei waren es nicht seine ersten Leichen. Das war es nicht. Aber drei Menschen an drei verschiedenen Orten praktisch gleichzeitig getötet zu haben, das war für ihn etwas » Übernatürliches « . Ja, das war das Wort, das er gebrauchte. Der Idiot hatte etwas Metaphysisches gewollt, und er hatte es bekommen. Was ihn aber nicht daran hinderte, beim Verlassen seines Hochsitzes zu behaupten, nie mehr ein Gewehr mit Zielfernrohr anzu rühren.
    Wir trafen uns am verabredeten Punkt. Er schlug vor, als Nächsten Paul Gizzi loszuwerden, der sich jetzt allein bei der Markthalle herumtrieb. Eine ganz simple Übung wäre das, brauchte bestimmt nicht viel Zeit: Einer spielt den Köder, der andere nimmt ihn in die Zange. (Allerdings zeigte sich Tom bei der Rollenverteilung wie erwartet nicht sehr kooperativ.) Ich war Paul Gizzi zuvor nie begegnet. Als ich ihm eine Kugel ins Gehirn jagte, bedauerte ich, nicht die Zeit gehabt zu haben, ihn kennenzulernen und ihm zu seinem berühmten » Gizzi Coup « zu gratulieren.
    Vor gut zehn Jahren hatte er an einem winterlichen Spätnachmittag im Geschäftsviertel von San Francisco für einen vierstündigen Stromausfall gesorgt. Das ganze Viertel geriet in Panik, und so konnte er in aller Ruhe vier Stunden lang arbeiten. Das Ergebnis: Drei Banken waren um mindestens sechzig Prozent ihres Bargelds erleichtert worden. Alle seine Bandenmitglieder waren damit einverstanden, die Beute erst nach einem Jahr zu verteilen. Kein Einziger hat sich mit dem Coup gerühmt, kein Einziger war geschnappt worden. Das ist nämlich das Geheimnis: Klappe halten! Tausend Fragen hätte ich ihm über die Logistik dieser Aktion stellen wollen. So manches Geheimnis hätte ich zu gerne aus ihm herausgekitzelt.
    Das ist mein großer Fehler: Mich interessiert das Treiben hinter den Kulissen mehr als das Spiel auf der Bühne. Kniffe und Tricks nicht zu durchschauen, ertrage ich kaum. Einmal besuchte ich mit anderen Mafiosi die größte Zaubershow der Welt in Las Vegas. Der Typ auf der Bühne ließ Sachen durch die Luft fliegen, verschwinden und wieder auftauchen. Alle waren wir vom Genie des Zauberers begeistert. Wie macht er das?, fragte sich jeder, auch ich. Ich wollte es
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